Alles hat seinen Preis. Aber nichts ist unmöglich. Warum es vor allem Mut zur Weltreise braucht.

„Ich beneide dich. Ich würde auch so gern alles hinschmeißen und einfach reisen. Ich hätte auch gern den Mut zur Weltreise…“ Mein Gegenüber starrt über den Rand des Kaffeebechers an mir vorbei. Ich seufze innerlich und versuche mich zu erinnern, wie oft ich dieses Gespräch in den vergangenen Wochen geführt habe. Zumindest so oft, dass mein anfangs glühender Enthusiasmus für die Weltreise inzwischen nur noch lauwarm ist. Denn mir will einfach niemand glauben.

Die Wahrheit lautet nämlich: Ihr könntet das auch. Also, theoretisch

Sorgfältig verteile ich mit dem Ikealöffel die Zuckermoleküle möglichst gleichmäßig in der büroeigenen Batteriesäure – und sage nichts. Ich weiß ja, was gleich kommt. „Ich habe kein Geld dafür, so eine Reise ist ja auch enorm teuer. Aber ich hätte echt voll Bock.“

Geld ist nicht das Hauptproblem

Es ist aber – Hand auf die Kreditkarte – eher vordergründig eine Finanzfrage. Natürlich kostet eine längere Reise Geld, aber das könnte man theoretisch ansparen. Oder sich leihen. Kürzer reisen. Schnäppchen jagen. Sich in hartem Verzicht üben. So wie ich in Hostels schlafen und Nudeln mit Ketchup essen…

Nein. Das viel größere Problem ist Angst.

Nun ist es nicht so, dass ich die nicht hätte. Im Gegenteil. Gelegentlich legt sie ihre klammen Klauen um mein Herz und raunt mir über die Schulter zu: „Was machst du eigentlich, wenn du wieder hier bist? Wovon willst du dann leben, hm? Und was, wenn dein Geld auf der Reise nicht reicht? Und wenn dir unterwegs etwas passiert?“

Ich höre nicht auf sie. Aber ich weiß: So eine Entscheidung hat Konsequenzen. Die muss man tragen wollen und können – ich kann sie derzeit nicht mal überblicken. Ich schmeiße einen tollen Job hin, lasse Freunde zurück, ein gemütliches Zuhause, kümmere mich für ein halbes Jahr nicht um meine Großeltern. Man muss sich trennen – von Mensch und Materie. Sich ins Ungewisse begeben. Das ist ungeheuer schwer, sogar schmerzhaft. Manche haben eine Familie, das macht die Sache noch viel komplizierter.

Aber es kann klappen. Irgendwie. Trotz allem.

Man braucht vor allem Mut zur Weltreise

Es ist eine Frage der Opferbereitschaft. Und des Mutes. Der Konsequenz. Wenn ihr, die ihr von Neid sprecht, also ehrlich seid, beneidet ihr mich nicht um die Reise. Ihr beneidet mich um den Mut zur Weltreise und um meine (innere) Freiheit.

Ich möchte euch zwei einfache Fragen stellen:

Wie oft im Leben habt ihr wahre Herzenswünsche dem verführerisch komfortablen Konstrukt der Sicherheit geopfert?

Und seid ihr des Wahnsinns – glaubt ihr denn, ihr würdet ewig leben?

Es gibt keine Sicherheit

Echte Sicherheit existiert nämlich nicht. Nicht finanziell, nicht gesundheitlich, nicht emotional. Sicherheit ist eine Illusion. Eine, die wir brauchen, damit wir unser Leben strukturiert führen können. Aber nichtsdestotrotz eine Illusion.

Du – ja, du da vor deinem Bildschirm – kannst jederzeit schwer krank werden. Oder sterben. Dein Partner oder deine Partnerin kann dich von jetzt auf gleich verlassen. Oder du dich selbst unsterblich in jemand anderen verlieben. Deine Chefin kann dich feuern. Dein Vermieter dich rausschmeißen. Dein Aktienpaket abschmieren. Deine Freunde sich gegen dich wenden.

Du weißt nicht, was als nächstes passiert.

Nichts verschieben

Damit ihr mich nicht falsch versteht: Das heißt NICHT, dass wir alle so leben sollen, als gäbe es kein Morgen mehr. Wenn alles gut läuft, gibt es das nämlich sehr wohl. Und dann sollte man vorbereitet sein.

Aber ich kann gar nicht so laut schreien, wie ich müsste, damit ihr mich versteht: Verschiebt eure größten Wünsche und Träume nicht auf dieses „irgendwann, wenn’s besser passt“! Es muss ja nicht unbedingt eine Weltreise sein. Vielleicht ist es Gesangsunterricht. Ein Kleingarten. Ein Dreier. Fallschirmspringen. Ein Tattoo.

Fragt euch immer wieder: Auf welche Art von Leben will ich zurückblicken, wenn ich im Altersheim „Zur schattigen Pinie“ kalten Cappuccino aus der Schnabeltasse schlürfe?

Es gibt Gründe – aber auch Ausreden

Die Kaffeemaschine röchelt in die unangenehm lange Stille, neue braune Brühe plätschert unfroh in die Glaskanne. „Ja, dann mach’ es doch“, murmle ich schließlich und zucke mit den Schultern. Aber ich ahne die Antwort.

3 – 2 – 1… Und da kommt sie auch schon: „Nee, das geht bei mir echt grad nicht. Weil…“

Ich höre nicht mehr hin. Selber Schuld, denke ich und trinke meinen Kaffee in einem Zug aus. Fürchterliches Zeug. Das werde ich auf meiner Weltreise ganz sicher nicht vermissen.


In meinem Buch Narbenherz steht die ganze Geschichte meiner unglaublichen, abenteuerlichen Weltreise:


PS: Ich bin freie Journalistin, Autorin und Studierende und das Betreiben dieses Blögchens kostet – genau wie alles andere im Leben – ein wenig Geld. Wer also mag, kann hier via Paypal ein bisschen Trink-, äh, Schreibgeld dalassen. Dankeschön! <3

 

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