Ich hebe den Kopf und halte mir die Hand über die Augen. Womit wedelt der junge Mann da vorn am Strand von Rio herum? Angel? Spazierstock? Laserschwert? Die beiden Mädchen auf der Decke im Sand vor ihm kichern begeistern und holen Geldscheine aus ihrer Tasche. Anschließend folgt ein kleines Handgemenge mit Stange. Hätte ich mal meine Brille auf. Es dauert etwas, bis ich die Situation erfasse: Der Typ da vermietet ernsthaft einen Selfie-Stick am Strand.

Ja, der Carioca als solcher ist durchaus recht findig: Man verkauft hier in Rio Bier aus Styroporkisten, die final provisorisch auf Rollen getaped und mit Eis gefüllt sind. Sobald es regnet, stellt man sich hingegen Schirme feilbietend vors Einkaufszentrum. Und am Strand gibt es ohnehin fast alles zu kaufen: Ofenkäse, Bikinis, Blusen, Ohrringe, Strohhüte, Cocktails, Sonnencreme…

Aber einen Selfie-Stick am Strand vermieten?

Ein Geschäftsmodell, das halb brasilianischer Improvisationsfreude und halb dem technologischen Wandel geschuldet ist. Smartphones sind schließlich allgegenwärtig, Speicherplatz nahezu unbegrenzt vorhanden, jeder Augenblick – sei er auch noch so banal – muss fotografisch festgehalten werden. Am Besten mit dem Beweis der eigenen Zugegenheit; Selfies sind das neue „Ich war hier“.

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Bisschen blöd, dass ein ausgestreckter Arm nur eine begrenzte Länge hat und daher nicht alles aufs Bild passt. Aber dafür gibt es ja neuerdings den Selfie-Stick: Man befestigt das Smartphone in der Halterung am Stock und voilà – schon kommt der Hintergrund mit aufs Foto, der Beweis ist vollständig.

Ich habe schon einige Touristen damit lemminglike durch Städte stolpern sehen. Aber dass jemand die Nutzung dieser Selbstfotografiestöckchen in dieser Form kommerzialisiert…

Ich lasse den Kopf wieder auf meine warme Decke sinken und bin zugegebenermaßen nachhaltig beeindruckt. Leider kann ich seinen smarten Service mit Selfie-Stick am Strand jedoch nicht nutzen – ich habe mein Handy zu Hause gelassen.

 


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