Du fährst mit dem Fahrrad durch Berlin, die Sonne geht bald unter und du möchtest wieder zwischen Oma und Opa sitzen, auf der kleinen Bank vor dem Schuppen im Garten und die Nase mit geschlossenen Augen in die letzten Strahlen halten.

Die warme Erinnerung macht dich traurig. Erst sind da nur ein paar Tränen und du denkst, du hältst das aus, es geht ja wieder vorbei. Zulassen sollst du die Trauer, das sei besser als verdrängen. Also lässt du die Tränen frei, erst ein oder zwei, aber es kommen immer mehr, so viele Tränen, die gleichzeitig aus deinen Augen tropfen, fließen, strömen. Bis du kaum noch gucken kannst.

Dein Herz zuckt und ganz hinten in deinem Bewusstsein bist du fast erleichtert, denn es hat sich so lange nicht bewegt. Während du weiterfährst, den Wind auf dem nassen Gesicht, und deine Beine so gleichmäßig strampeln, als gehörten sie nicht zu dir, hörst du das Knurrheulen eines Tieres oder so und es dauert ein paar Tritte bis du merkst, dass es aus deiner Kehle kommt.

[Zum Thema: Wenn ein Mensch stirbt, den man liebt]

Du musst schluchzen, du kannst gar nicht anders, bis es alle Luft aus deinen Lungen presst und dann musst du einatmen, du kannst gar nicht anders, bis dir schwindelig wird. Dein Gesicht schwillt zu dieser grotesken Grimasse an, die der Grund dafür ist, warum du am liebsten alleine weinst, aber jetzt geht es nicht anders und auf dem Radweg sehen dich eh alle nur von hinten. In deinem Mund ist auf einmal alles voller Rotze, die nach Salz schmeckt und dir fällt wieder ein, warum du Austern nicht magst.

Deine Beine treten ohne dein Zutun, einfach Immer weiter, und in deiner Brust schwillt die Sehnsucht so sehr an, dass du Angst hast, zu platzen – hier, mitten auf dem Fahrradweg in Mitte. Vielleicht würdest du sie dann wiedersehen, doch das ist natürlich Quatsch und du hast hier auch noch so viel zu erledigen und zu erleben und zu lieben.

So ist das, wenn man die zwei wichtigsten Menschen seines Lebens in kurzer Zeit verliert, da darf man das. Trauer kommt in Wellen und spült dich weg und dann wieder an und du lebst vor dich hin, bis die nächste Welle kommt. Sie werden mit jedem Mal kleiner und flacher und seltener. Das weißt du aus Erfahrung und auch, dass du das aushältst. Aber das macht es in diesem Augenblick nur ganz wenig leichter.

[Hier gibt es Trost bei Trauer, Tod und Schmerz]

Du fährst mit dem Fahrrad durch Berlin, die Sonne geht bald unter und du möchtest wieder zwischen Oma und Opa sitzen, auf der kleinen Bank vor dem Schuppen im Garten und die Nase mit geschlossenen Augen in die letzten Strahlen halten.

Eines Tages.


In meinem Buch Wir Geben Opa Nicht ins Heim habe ich die ganze Geschichte von Omi, Opi und Pflegebedürftigkeit aufgeschrieben:


PS: Ich bin freie Journalistin, Autorin und Studierende und das Betreiben dieses Blögchens kostet – genau wie alles andere im Leben – ein wenig Geld. Wer also mag, kann hier via Paypal ein bisschen Trink-, äh, Schreibgeld dalassen. Dankeschön! <3

 

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