Wer Schottland sagt, muss auch Loch Ness sagen. Trotzdem hat es über ein Jahr gedauert, bis ich mich endlich in Richtung Inverness aufgemacht habe. Es hat sich gelohnt – nicht nur wegen der Sehenswürdigkeiten am Loch Ness.

Roadtrips sind das Beste. Einfach ins Auto steigen und in den Sonnenuntergang fahren. Also, vorausgesetzt man zuckt beim Gedanken an Linksverkehr nicht panisch mit dem Auge wie ich, weshalb ich lieber mit erfahrenen Fahrenden wie Abby fahre. Der Beifahrersitz ist hier in UK auf der Seite, auf der sich in meiner Welt üblicherweise das Lenkrad befindet, und das ist schon nervenzerfetzend genug.

Abby und ich haben Snacks eingepackt, die ich ihr auf unserer Fahrt von Glasgow nach Loch Ness dienstbeflissen anreiche. Natürlich gibt es eine Playlist, natürlich enthält sie 90er-Songs. Vor allem aber zeitlose Roadtrip-Klassiker.

Culloden Moor

Unser erster Stop auf dem Weg nach Loch Ness ist Culloden Moor. Dass wir hier anhalten, hat mit meinem Studium der schottischen Geschichte zu tun. Denn auf diesem sumpfigen Feld führe Bonnie Prince Charlie 1746, einige werden es aus Outlander wissen, die jakobitischen Aufständischen gegen die Truppen des britischen Königs in die Schlacht. Sie wurden vernichtend geschlagen. Um die Serienfigur Frank Randall zu zitieren: „It was very, very quick and very bloody.“

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Eine graue Wolkendecke hängt tief über dem flachen, weiten Feld. Kleine Gedenksteine für gefallene Mitglieder schottisches Clans ducken sich zwischen dem braunlilafarbenen Heidekraut. Zwei Reihen von Fahnen zeigen an, wo die Truppenlinien verlaufen sind. Es ist alles viel größer und bedrückender, als ich es mir vorgestellt hatte. Die Luft ist schwer von Feuchtigkeit und dem Echo der Vergangenheit. Ich glaube, Orte können Geschehenes ein Stück weit speichern.

Culloden Moor
Clan Fraser Culloden Moor | © J. Wagener

„Krieg ist grauenhaft. War er immer, wird er immer sein. Menschen metzeln sich seit Jahrtausenden gegenseitig für den größten Nonsens nieder. Was soll das? Ich werde es niemals verstehen“, denke ich, während ich am Gedenkstein des Fraser-Clans innehalte.

Auf nach Invernass, äh, Inverness

Exakt in dem Augenblick, als Abby und ich ins Auto einsteigen, fängt es an zu schütten. Perfektes Timing, Schottland! Wir fahren weiter nach Inverness, um was zu essen. Die Stadt ist arg unspektakulär, ein bisschen angeranzt und ziemlich grau. „Not really a lovely place“, konstatiert Abby und ich nicke unter meiner Kapuze so heftig, dass mir ein Tropfen auf die Nase platscht. Wir suchen ein wenig Sonne in einem jamaikanischen Restaurant. Pulled Jackfruit and ginger beer – why not?

Inverness
Inverness | J. Wagener

Bevor es dunkel wird, fahren wir zu unserem Hotel in Drumnadrochit am Loch Ness. Und das fühlt sich an wie eine Zeitreise: Überall Holzvertäfelungen, 80er-Grastapete, Schotten-Karos und braune Kunstleder-Sofas. Stil: Stranger Things meets Scottish Highlands.

„Do you think it’s haunted?“ frage ich Abby auf dem Weg nach oben.

„Oh, definitely“, antwortet sie.

Ich glaube, sie könnte Recht haben.

Hotel am Loch Ness
Hotel am Loch Ness | © J. Wagener

Drumnadrochit

In unserem Zimmer im Hotel in Drumnadrochit ist es kalt, der elektrische Heizkörper lässt sich nicht einschalten, in der Luft liegt ein Hauch von Muff und in den Plastik-Plissée-Falten der Nachttischlampe hat sich eine beachtliche Staubschicht angesammelt, während das Bad nicht nur von der Decke bis zum Boden komplett in Dunkelgrün gefliest ist, sondern auch zwei Klorollenhalter direkt übereinander bietet.

„God, that bathroom’s like being in Nessie’s belly“, sagt Abby.

„Brilliant! That’s exactly how I hoped it would be“, sage ich und lasse mich rücklings aufs Bett plumpsen.

So ein skurriles Hotel gibt es bestimmt kein zweites Mal auf der Welt. Herrlich! Ich habe eine ausgeprägte Schwäche für Underdogs und Unperfektes. Deshalb gehört dieses Hotel für zu Schottlands Sehenswürdigkeiten am Loch Ness. Ganz ehrlich.

[Auch spannend: Ein Jahr in Schottland – das habe ich alles erlebt]

Wir beschließen, noch einen Absacker in der Hotelbar zu trinken, und nehmen auf harten, wackeligen Barhockern Platz. Das Essen, das in kleinen Portionen auf großen Tellern an uns vorbei ins Restaurant getragen wird, sieht erstaunlich genießbar aus.

Der gar nicht so alte Barkeeper hingegen sieht erstaunlich zugedröhnt aus. Als er Abby einen Whisky einschenken will, schüttet er ihn mit einem Zucken schwungvoll über das Cocktailmaß, das Glas und die Theke. Er bemerkt es nicht mal und murmelt ungestört weiter Halbsätze in seinen Rauschebart. Er passt hervorragend hierher, man hätte so jemanden sonst extra suchen müssen.

 

Abby und ich haben einen grandiosen Abend und schlafen später wie die Steine. In unseren Pullis – der Heizkörper stellt sich nämlich immer noch tot.

Am nächsten Morgen gibt’s Dudelsackmusik zum Frühstück, selbstverständlich. Außerdem gibt es Schottenkaros satt. Dazu Bacon und Wurst in erschütternden Mengen. Ich nehme Toast, Bohnen, Tomaten und Rührei. Und ein Croissant, es ist schließlich Sonntag.

Schottenkaro
Wenn Schottland ein Zimmer wäre | © J. Wagener

Nessieland

Neben jedem Teller liegt semi-subtil ein Voucher für Nessieland nebenan. Aber das lassen wir uns nicht zweimal vorschlagen.

Nessieland ist im Grunde eine Art weitgehend konzeptfreies, selbstgebasteltes Mini-Museum gepaart mit einem Indoor-Spielplatz und Shop, gepflastert mit großformatigen Ausdrucken in unzähligen zweifelhaften Schriftarten, die allerhand abstruse Theorien zu Nessie beinhalten. Eine kleine Outlander-Ecke gibt’s auch, aus Gründen.

Es ist auf eine bizarre Weise außerordentlich zauberhaft.

Urquhart Castle

Nächster Halt auf unserem kleinen Road-Trip zu den Sehenswürdigkeiten am Loch Ness: Urquhart Castle – eine beeindruckende Ruine direkt am Ufer von Loch Ness.

Wie es sich für eine Burg gehört, war sie jahrhundertelang umkämpft, bis der eigene Sicherheits-Chef sie Ende des 17. Jahrhunderts selbst in die Luft gejagt hat, damit sie nicht den Feinden in die Hände fällt.

 

Die Ruine ist deutlich größer und weitläufiger, als sie auf Instagram aussieht. Lage und Aussicht sind spektakulär.

Und Loch Ness ist wunderschön und ruhig. Das Wasser schimmert dunkelgrau, schwer und dicht, wie flüssiges Blei. Blassgoldene Sonnenstrahlen tupfen Glitzer auf den See mitten im Great Glen. Abby und ich sind die Treppen hinabgestiegen und stehen andächtig schweigend am Ufer, ein Bötchen fährt vorbei. Und die Welt ist sehr okay.

Loch Ness – Nessie, bist du’s?

Plötzlich sehe ich drei Buckel übers Wasser huschen. Ich gucke zu Abby. Sie guckt im selben Moment zu mir; sie hat es auch gesehen. „Uh, I think we just saw ‚Nessie‘“, sagt sie und ich antworte: „Aye, I think at least now we know what it is.“

[Lies auch diesen Text: Schottische Landschaft – it’s a wild, wild country]

Als wir nach Hause fahren, am Ende unseres kleinen Road-Trips, denke ich über Loch Ness nach. Vielleicht haben diese speziellen Wellen, die – besonders mit einer Portion Wunschdenken und unter dem Einfluss von Whisky – aussehen wie ein kleines Seeungeheuer, mit der Farbe des Wassers zu tun; vielleicht liegt es am Zauber des Ortes.

Aber ich weiß: Wenn mich in Zukunft jemand fragt, ob ich das Monster von Loch Ness gesehen habe, kann ich mit Überzeugung ‚ja‘ sagen.


In meinem kleinen Ratgeber Nach Schottland Auswandern steht alles, was ich bisher über mein neues Heimatland gelernt habe:

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