Mit verhangenen Augen glotze ich auf meinen Monitor. Doch ich gucke nicht hin, sondern ins Nichts. Müdigkeit. Irgendwas müsste ich jetzt tun. Nur was?

Mein Gehirn ist Suppe. Schlick. Staub. Wenn ich noch ein Zeitgefühl hätte, wüsste ich vielleicht, seit wann es sich so anfühlt. Aber nach einem Jahr pandemiebedingt in meiner Wohnung ist Zeit bedeutungslos. Außer Deadlines, die sind da, die halte ich ein. Daran halte ich mich fest. Aber ich weiß nie genau, wie ich dahin komme.

Die Uni verlangt gnadenlos Hausarbeiten, Präsentationen, Bibliographien, Teilnahme, Gedanken. Aber lesen fällt fast so schwer wie erinnern und konzentrieren. Die Miete will bezahlt werden, Essen auch. Irgendwie mache ich das, was dafür gemacht werden muss. Autopilotisch.

Pandemüder Teflonkopf

Es ist ein semi-meditativer Zustand. Ab und zu kommen Gedanken, aber sie bleiben nicht. Sie gleiten ab. Teflonkopf. Oft genug stehe ich irgendwo in meiner Wohnung und vergesse. Was ich wollte oder wohin. Was es sollte oder warum.

Manchmal bin ich mir kurz nicht sicher, ob ich tatsächlich existiere. Vielleicht liege ich ja irgendwo im Koma und fantasiere das alles bloß. Wer weiß. Ist es wichtig? Wer weiß. Aus dem Spiegel blickt mir Gollum entgegen und sagt nichts.

Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich bin ständig müde. Leer. Was ist zur Hölle ist da los? Ist das normal? Allein bin ich damit jedenfalls nicht, wie ein Blick in meine Twitter-Timeline offenbart. Say hello to lockdown brain.

Und diese Müdigkeit. Diese allumfassende, einlullende, mächtige Müdigkeit, die auf mich zukriecht wie feuchter Nebel, sich um mich wickelt, mich einhüllt und ausfüllt, mich schwerelos und gleichgültig macht. Ebenfalls ein verbreitetes Phänomen:

Nichts hilft gegen diese Müdigkeit

Dabei ist es vollkommen wumpe, wie viel oder wenig Schlaf jemand bekommt. Das Ergebnis ist das Gleiche – Müdigkeit. Keine Konzentration. Erschöpfung. WTF.

Selbst Duschen wird ein eigener Punkt auf der To-Do-Liste, weil aufraffen anstrengend ist. Aber auch, weil es wegzustreichen befriedigt: Ich kann noch ein bisschen was. Ich kann immerhin noch duschen.

Doch ehrlicherweise ist diese Erschöpfung auch kein Wunder. Es passiert so viel epochale Scheiße auf der Welt. Allein der Januar 2021 hätte schon seinen eigenen Jahresrückblick verdient.

All das macht was mit uns. Auf Twitter hat die Psychologin und Autorin Dr. Emma Kavanagh erklärt, was im Gehirn in der derzeitigen Situation so vor sich geht. Sie schreibt zum Beispiel: „Wir leben seit langer, LANGER Zeit unter extrem stressigen Bedingungen. Wir sind offiziell chronisch gestresst.“

Und dieser Zustand hat Folgen. Unter Stress kreativ zu sein verbraucht unfassbar viel mehr kognitive Energie; das Erinnerungsvermögen und die räumliche Wahrnehmung werden ebenfalls beeinträchtigt.

Das eigene Gehirn sei grad nicht das eigene Gehirn, schreibt sie, sondern das eigene Gehirn unter enormem Stress. Und die Folgen dieses ständig auf uns einhämmernden, neurologischen Überlebensmodus sind real.

Deshalb trinken manche Menschen auch mehr, viel mehr. Das legt jedenfalls der Global Drug Survey nah. Etwa 43 Prozent der Befragten trinken im Vergleich zur Prä-Pandemiezeit mehr Alkohol. (Ja, die Schott*innen liegen vorn. Nein, ich habe damit nichts zu tun.)

Um das Dauerstressfeuer im Kopf zu löschen, sollen Meditation, Yoga, Joggen, basteln, Bananenbrot backen sinnvoller sein als Gin & Tonic. Aber gegen kapitolstürmende Faschist*innen, erbärmliche Impfkompetenz, soziale Ungerechtigkeit, Klimakrise, allgemeinen Hass und mental-emotionale Grund-Überforderung hilft weder Fusel noch Duftkerze. Constantly internally screaming.

Tja, Selbstliebe und so ist leider nicht so einfach. Kostet nämlich Kraft und dieses innerliche Schreien ist halt immer so laut.

Auch dieser Blogtext hat viel zu viele Anläufe gebraucht. Mir fallen dabei 137 Mal die Augen zu. Die Gedanken glitschen weg. Was soll’s.

Besonders ironisch ist ja auch, trotz dieser alles verschlingenden Müdigkeit nicht einschlafen zu können. Wälzen. Ächzen. Das Ohr drückt auf dem Kissen, das Kissen drückt aufs Ohr, die Knie drücken aufeinander. Zu warm. Zu kalt. Das Handy. Falls es euch auch so geht: Hier sind ein paar Einschlafstories, vielleicht helfen sie.

Ich würde abschließend gern irgendwas Motivierendes, Sinnstiftendes Tröstendes sagen. Dank Konzentrationsmangel und Müdigkeit fällt mir aber nichts ein. Deshalb leihe ich mir die Worte von Emma Kavanagh: „Du läufst schon sehr lange auf einem sehr hohen Niveau. Du hast all deine Reserven aufgebraucht und läufst jetzt auf Sparflamme. Das ist in Ordnung. So ist es nun mal. Sei einfach lieb zu dir selbst.“

Hier sind noch ein paar andere Texte:


PS: Ich bin freie Journalistin, Autorin und Studierende und das Betreiben dieses Blögchens kostet – genau wie alles andere im Leben – ein wenig Geld. Wer also mag, kann hier via Paypal ein bisschen Trink-, äh, Schreibgeld dalassen. Dankeschön! <3

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