Es soll ja Menschen geben, die die Serie Outlander belächeln. Zeitreise – pah! Romantik– puh. Doch das ist eine fürchterliche Fehleinschätzung. Und ich erkläre auch, warum.

+++ Obacht, dieser Text kann Spuren von Spoilern enthalten +++

Das erste Mal kam ich mit Outlander in Berührung, als ich im Alter von ungefähr 17 in den frühen 90ern die Bücher von Diana Gabaldon las, Feuer und Stein hieß das erste. Mein Teenager-Ich war vollumfänglich verblüfft: Diese Geschichte hatte tatsächlich eine Protagonistin, die kein zartes Gänseblümchen war. Nein, Claire ist tough, emanzipiert, berufstätig, ein wenig stoffelig, lustig und schlagfertig.

Am meisten jedoch fasziniert hat mich, dass Claire eine Frau ist, die Spaß an Sex hat. Und das ist in der Geschichte einfach komplett normal, natürlich und okay. Vorher waren mir vorwiegend Heldinnen begegnet, die ihre Sexualität heimlich oder passiv leben durften; die erobert werden mussten. Das Patriarchat lässt grüßen.

Tja, im Buch und in der Serie Outlander hingegen ist ER in der Hochzeitsnacht noch Jungfrau und SIE die Erfahrene.

Hingabe für alle Details

Neulich habe ich hier in Glasgow mal wieder jemanden getroffen, die bei der Serie Outlander am Set arbeitet und mir erzählt hat, wie unglaublich viel Recherche, Mühe und Arbeit in jeder einzelnen Szene stecken: Von den Kostümen über die gesamten Pflanzen bis hin zu den Kochrezepten. Jedes Blatt und jeder Handgriff muss sitzen, jedes Stück Gebäck und jedes Auto stimmen. Ich höre das immer wieder von Beteiligten und ich finde, das sieht man der Serie an.

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In Outlander halten sich die Produzent*innen auch so gut wie möglich an die Bücher. Logisch, die Fangemeinde ist schließlich riesig und sehr engagiert. Natürlich lässt sich nicht alles im Bewegtbild so umsetzen wie auf Papier – einfach, weil es ein anderes Medium ist und dort Geschichten anders erzählt werden – aber die Serien-Macher*innen geben sich viel Mühe. Zu jeder Folge gibt es zum Beispiel auch einen Podcast, in dem Entscheidungen begründet und erklärt werden.

Die Buch-Autorin von Outlander

Die Schriftstellerin Diana Gabaldon ist Beraterin der Serie und das ist auch spürbar. Sie war schon als Kind eine leidenschaftliche Geschichtenerzählerin: „Als meine Schwester und ich uns ein Zimmer teilten, blieben wir bis spät in die Nacht auf und erzählten uns verschlungene, fortlaufende Geschichten“, schreibt sie in einem Begleitbuch.

Gabaldon spinnt komplexe Handlungsstränge, die immer irgendwo hinführen und Sinn ergeben. Lose Enden gibt’s in der Serie Outlander kaum. Wenn ein spannender Charakter auftaucht, wird man ihn oder sie ziemlich sicher irgendwann wiedersehen.

Außerdem kann Diana Gabaldon hervorragend widerliche, magenumstülpende und mehrdimensionale Fieslinge kreieren – wie Captain Jack Wolverton Randall und Stephen Bonnet.

Der Protagonist James Alexander Malcolm MacKenzie Fraser hingegen ist das Paradebeispiel des edlen schottischen Highlanders, wie er spätestens seit der Romantisierung alles Schottischen von Walter Scott im 19. Jahrhundert populär ist. Jamie zeichnet nicht nur seine Optik aus, sondern vielmehr seine emotionale Intelligenz und Lernfähigkeit, seine Unterstützung für Claire, sein Mut, seine Loyalität, sein Humor und okay, nagut, ein bisschen vielleicht doch auch seine Optik.

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Der Sex in der Serie Outlander

„Hausfrauenporno“ ätzen Unwissende. Dabei sind die Sex-Szenen in der Serie Outlander nicht mit den üblichen Hollywood-Turnstunden zu vergleichen. Sie sind nicht der Höhepunkt eines um sich selbst zirkelnden Eroberungs-Tangos, sondern zeigen die Verbindung der beiden Hauptfiguren. Es gibt sehr viel Haut, Hintern, Rücken, Brustwarzen und jede Menge Nähe zu sehen, ja, es wird sogar gelacht. Weil das nun mal so ist im Leben.

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Das Paar in der Serie

Hach! Die Chemie zwischen zwischen Caitriona Balfe (Claire) und Sam Heughan (Jamie) stimmt bis ins letzte Molekülchen. Das wird nicht nur in Outlander selbst, sondern auch in Interviews der beiden immer wieder herzerwärmend deutlich. Hier ein Ausschnitt von Caitrionas Audition als Claire (vorspulen zu 0:44):

Ganz allgemein lässt sich sagen: Die Besetzungen in Outlander sind überragend gecastet. Und jede*r, der*die mal ein Buch gelesen, geliebt und dann den Film gesehen und gehasst hat, weiß wovon ich schreibe. Eine Freundin von mir sagte am Telefon: „Oh mein Gott, er ist genau so, wie ich ihn mir vorgestellt habe!“ Das ist wohl das allerhöchste Lob in Sachen Casting.

Das Schauspiel

Die Performance ist verdammt stark. Allen voran die von Sam Heughan – ob beinahe tot auf dem Schlachtfeld von Culloden, mit gebrochenem Herzen beim Verlassen seines illegitimen Sohnes, die Freudentränen bei der ersten Begegnung mit seiner erwachsenen Tochter Brianna – Sam geht zuverlässig mitten ins Herz.

Doch auch Claires Fehlgeburt, ihre tiefe Trauer bei der Rückkehr, das nahezu kammerspielartige Ehedrama mit Frank in der dritten Staffel… Wirklich, wirklich sehenswert.

Die Kostüme der Show

Es gibt historische Serien, die sich nicht mal ansatzweise so viel Mühe geben; in Reign zum Beispiel sehen immer alle ein bisschen so aus, als wären sie grad vom Abi-Ball gekommen und hätten sich noch schnell Schwert oder Krone geschnappt. Doch was die Kostümbildner*innen bei Outlander leisten, ist atemberaubend. Sie fertigen, so hörte ich, jeden Knopf von Hand an.

Der historische Hintergrund

Da bin ich, weil ich ja nun schon drei Jahre in (schottische) Geschichte an der Uni in Glasgow reinschnuppern durfte, ein bisschen voreingenommen.

Und ja, der Jacobite-Konflikt ist in Outlander schon arg vereinfacht. Es ging nicht trennscharf um Schotten gegen Engländer*innen oder Katholik*innen gegen Protestant*innen; es gab auch Schott*innen, die auf Seiten der königlichen Truppen gekämpft haben und Engländer*innen, die sich zu den Jacobites zählten.

Trotzdem hat Diana Gabaldon gründlich recherchiert. Und das in den 90ern – ganz ohne Internet!

Wenn zum Beispiel Jamie in Paris zu Charles Edward Stewart sagt, die Schott*innen wären noch gar nicht bereit für einen erneuten Aufstand, nachdem der letzte (1715) ja gescheitert ist, lässt Diana Gabaldon ihren Charles antworten, dass er die Fehler des Earl of Mar keinesfalls wiederholen würde, ein guter Führer müsste schließlich vor allem entschieden auftreten.

Und ich weiß aus meinem Studium, dass der Earl of Mar den eigentlich erfolgsversprechenden 1715-Aufstand durch sein Zaudern komplett vergeigt hat und dann auch Charles später im entscheidenden Augenblick in Culloden gezögert hat. Über diese stimmigen Details freue ich mich.

Der Bonnie Prince war eh nicht der schillernde Star, der heute so zartromantisch und rosawangig von karierten Keksdosen lächelt. Oder wie der Historiker G.S. Pryde über ihn sagte:

Im wahren Leben war er eine weniger heldenhafte Figur; alles von seinen treuen Gefolgsleuten verlangend, gab er ihnen kaum mehr als einen inspirierenden Namen, und er floh aus Culloden, anstatt mit dem Schwert in der Hand für seine mutigen Highlander zu sterben.“

Genau so hat ihn Gabaldon portraitiert: charismatisch, enthusiastisch, illusorisch, arrogant, schwach, feige und ignorant.

Ein Hauch von Kritik

So ganz unreflektiert geht’s ja auch nicht, deshalb hier meine Kritikpunkte.

Also, ich finde es im Buch und in der Serie Outlander nicht so gelungen, dass sich Claire ziemlich stark über ihre Gefühle für und Beziehungen mit Frank und Jamie definiert. Das vermittelt ein bisschen das Bild, eine Frau könnte kein Leben ohne einen Mann im Zentrum führen. Ein wenig wieder gut gemacht wird das aber dadurch, dass Claire später in den 1960ern ihr eigenes Ding durchzieht und als eine der ersten Frauen in Harvard Medizin studiert.

 

Außerdem kommt in Outlander auch immer wieder sexualisierte Gewalt vor. Mehrere Figuren werden attackiert, verfolgt, psychisch und körperlich missbraucht und sogar gefoltert. Was zum Teil recht explizit gezeigt wird. Das alles ist ehrlich gesagt nicht leicht zu verdauen. Und auch, wenn die entsprechenden Szenen in Outlander verantwortungsvoll umgesetzt sind und zur Handlung und Zeit passen, frage ich mich, ob das in der Form nötig ist.

Weil die Geschichte zum Teil im 18. Jahrhundert spielt, werden in der Serie zwangsläufig Sklaverei und der Genozid von Native Americans thematisiert. Es gibt komplett berechtigte Kritik an der Tatsache, dass People of Colour in Outlander vor allem Hintergrundfiguren ohne wesentliche eigene Handlung sind. Auch, wenn sich Protagonistin Claire mehrfach sehr deutlich gegen diese Unmenschlichkeiten einsetzt.

Trotz dieser Schwächen halte ich Outlander insgesamt aber für eine unglaublich starke Serie.

Die Landschaften

Ach, Schottland! Diese herzbewegenden, weiten Landschaften und Panoramen. Gedreht wird Outlander nicht ausschließlich, aber hauptsächlich in Schottland; vor allem in den Cumbernauld Studios in der Nähe von Glasgow.

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Auch in den Büchern hat Diana Gabaldon Schottland äußerst detailliert beschrieben – obwohl sie in Arizona lebt und vor dem ersten Buch noch nie in den Highlands gewesen ist! Outlander weckt die Sehnsucht nach einem Land voll rauer Schönheit. So sehr, dass Bücher und Serie tatsächlich den Tourismus in Schottland angekurbelt haben.

Und darum die Serie Outlander!

Outlander ist ein wirklich aufmerksam und liebevoll produziertes Stück Eskapismus-Fernsehen, das Millionen Herzen weltweit mit einem Hauch Freude und Sehnsucht erfüllt. Mehr verlange ich gar nicht von einer Serie.

Weniger allerdings auch nicht.

Streamen könnt ihr alle vier Staffeln von Outlander übrigens hier bei Amazon Prime.


 

PS: Ich bin freie Autorin und Studentin und das Betreiben dieses Blögchens kostet – genau wie alles andere im Leben – ein wenig Geld.Wer also mag, kann hier via BuyMeACoffee ein bisschen Trink-, äh, Schreibgeld dalassen. Dankeschön! <3

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