Was bedeutet eine Section 30 order? Wieso kann London über Schottland bestimmen? Und was ist ein First Minister? In diesem Schottland-Glossar werden alle wichtigen Begriffe rund ums Thema Unabhängigkeit kurz erklärt.

Schottland will 2023 ein zweites Unabhängigkeits-Referendum abhalten. Das ist nachvollziehbar, aber nicht ganz einfach. Auch zu verstehen ist es nicht so ohne Weiteres. Vor allem nicht, wenn man von außen – also zum Beispiel aus Deutschland – darauf schaut.

Deshalb hier die wichtigsten Begriffe zum Thema schottische Unabhängigkeit auf einen Blick.

Schottland-Glossar:

Brexit

Beim Brexit-Referendum 2016 stimmte Schottland mit 62 Prozent für den Verbleib in der Europäischen Union (siehe EU). War aber leider egal.

Devolution

Auch: Dezentralisierung. Im September 1997 gab es ein Referendum, bei dem die Schott*innen für die Devolution (Dezentralisierung) stimmten – also dafür zum ersten mal seit 1707 wieder ein eigenes Parlament zu haben. Gleichzeitig ist Schottland aber weiterhin Teil des britischen Staates. 1999 wurde das schottische Parlament in Edinburgh (wieder) eröffnet. Dessen Befugnisse sind beschränkt: Es darf zum Beispiel über Bildung, Gesundheit und Kultur bestimmen; sich selbst Geld leihen oder über Dinge entscheiden, die den britischen Staat insgesamt betreffen, darf es aber nicht. Da muss die britische Regierung in Westminster mitreden.

EU

Ein Hauptargument beim Unabhängigkeits-Referendum 2014 lautete „Ohne Großbritannien fliegt ihr aus der EU und das wollt ihr doch nicht!“ Dann kam 2016 das Brexit-Referendum. Bei dieser Abstimmung hat eine klare Mehrheit der Schott*innen (62 Prozent) für den Verbleib in der EU und gegen den Brexit gestimmt. Weil aber der Rest Großbritanniens mehrheitlich für den Brexit war, wurde Schottland gegen seinen Willen aus der Europäischen Union gerissen. Ein unabhängiges Schottland würde eine EU-Mitgliedschaft anstreben. Bis die vollzogen ist, kann es allerdings Jahre dauern.

First Minister

Erste*r Minister*in Schottlands aka schottische*r Regierungschef*in. Seit 2014 bekleidet Nicola Sturgeon von der Scottish National Party (SNP) dieses Amt, davor war es Alex Salmond (auch SNP). Hier mehr zur Organisation der schottischen Regierung.

Holyrood

Sitz des schottischen Parlaments in Edinburgh. Nebenan ist der Palast, in dem Mary, Queen of Scots gewohnt hat und heute noch die britische Monarchin Elizabeth unterkommt, wenn sie in Edinburgh weilt.

Lord Advocate

Die oberste schottische Juristin Schottlands. Seit Juni 2021 die Richterin Dorothy Bain, QC. Sie hat laut Paragraph 34 des Scotland Acts die Befugnis, sich direkt an den Obersten Gerichtshof Großbritanniens zu wenden.

Nicola Sturgeon

Erste Ministerin/ First Minister/ Regierungschefin Schottlands (s.o.). Nicola Sturgeon ist eine der beliebtesten Politikerinnen Großbritanniens. Arbeiterkind, studierte Juristin, Leseratte. Oh, und ich habe sie mal im Gemüseladen getroffen.

 

Parlament

Von 1707 bis 1999 hatte Schottland kein eigenes Parlament mehr, sondern wurde im britischen Parlament in London vertreten. Seit 1999 gibt es wieder ein eigenes schottisches Parlament in Edinburgh mit begrenzten Befugnissen. Siehe Devolution.

Referendum 2014

Bei der Wahl 2011 holte die SNP die große Mehrheit in Schottland. Das hat der damalige UK-Premierminister David Cameron als demokratisches Mandat für ein Referendum akzeptiert. Im September 2014 gab es dann eine Abstimmung zur Unabhängigkeit. Damals waren 44,7 Prozent der Schott*innen dafür, aber 55,3 Prozent dagegen. Hauptsächlich wegen der Sache mit der EU (siehe oben).

Section 30 order

Da das schottische Parlament nicht über Dinge entscheiden darf, die den gesamten britischen Staat betreffen – wie die Unabhängigkeit eines Teils – braucht es dafür eine (zeitlich begrenzte) Extra-Befugnis. Das ist die sogenannte Section 30 order. Beim Referendum 2014 hat die damalige UK-Regierung von David Cameron dem schottischen Parlament diese temporäre Befugnis fürs Abhalten einer Unabhängigkeits-Abstimmung zugestanden. Die derzeitige UK-Regierung will das nicht tun.

[Lies auch: Warum zur Hölle ausgerechnet Schottland?]

SNP

Die Scottish National Party. 1934 gegründet, seit 2007 in Schottland an der Regierung. Nicht das, was man sonst so unter einer typischen nationalistischen Partei versteht – sondern tendenziell sozialdemokratisch. Auch nicht ohne Probleme und Querelen. Vor allem verbunden durch ein Hauptziel: Endlich vollständig selbst bestimmen, was hier in Schottland passiert.

Supreme Court

Oberster Gerichtshof Großbritanniens, letzte Berufungsinstanz im Vereinigten Königreich. Soll die Rechtmäßigkeit eines zweiten Unabhängigkeits-Referendums (vorher) klären und entscheiden, ob das schottische Parlament auch ohne (zeitlich begrenzte) Erlaubnis aus Westminster ein Referendum durchführen darf.

Tories

Konservative Partei Großbritanniens. Ist an der britischen Regierung. Seit den späten 1950ern wählen die Schott*innen mehrheitlich sozialdemokratisch ausgerichtete Parteien wie Labour oder die SNP. Weil aber der Rest Großbritanniens immer wieder mehrheitlich die Tories wählt, bekommen die Schott*innen seit Jahrzehnten eine Politik, die sie nicht wollen, für die sie nicht gestimmt haben, die den Bedürfnissen der Menschen hier nicht gerecht wird und sogar die Lebenserwartung stagnieren bzw. sinken lässt.

 

Union

United Kingdom, Vereinigtes Königreich, Großbritannien. Erst kam 1603 die Union of Crowns, als nach dem Tod der kinderlosen Elizabeth I der Sohn von Mary, Queen of Scots – James – zum König von Schottland UND England/ Irland wurde. Da gab’s aber erst noch zwei eigenständige Parlamente. Dann kam 1707 die Union of Parlaments, mit der sich das schottische Parlament – Protesten zum Trotz – auflöste und sich freiwillig England anschloss. Von 1707 bis 1999 gab es nur noch ein Parlament: in London.

Unionists

Verfechter*innen der Union (siehe oben) und Vertreter*innen der „better together“-Bewegung. Erkennbar am Union Jack im Profil oder auf der Unterhose. Haben viel zu sagen gegen Dezentralisierung, bringen aber selten überzeugende Argumente für die Union vor.

Westminster

Sitz des britischen Parlaments und der UK-Regierung in London.

Yes-Bewegung

Basisdemokratische Unabhängigkeitsbewegung in Schottland, unter deren Schirm sich verschiedene Teilgruppen sammeln Yes-Campaigner bringen Broschüren, Broschen, Plakate, Sticker und Stifte unter die Leute und diskutieren an Ständen mit Interessierten unermüdlich über #indyref2 (s. Foto). Außerdem veranstalten sie landesweit YES-Kundgebungen und Demos.

Yes Plakat

Etwas mehr historischen Hintergrund gibt es hier im Schottsplainer. Ob, wann und wie Schottland wirklich unabhängig wird? Das ist aktuell schwer zu sagen. Aber nach dem Brexit-Debakel und der desaströsen Regierung unter Boris Johnson in den vergangenen Jahren sollte wenigstens eine Abstimmung drin sein. Oder wie seht ihr das?

Hier ist ein kurzes Erklärvideo der SNP, das die Vorteile eines unabhängigen Schottlands umreißt:

Dieses Schottland-Glossar wird immer mal wieder aktualisiert und ergänzt. Wenn ihr Fragen zu Schottland und Unabhängigkeit habt, schreibt sie mir gern in die Kommentare!

 


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