Wenn jemand Krebs hat, ist das furchtbar. Für alle Beteiligten. Und es ist unerträglich schwer, die richtigen Genesungswünsche bei Krebs zu finden. Hier ein Hilfs-Versuch – geschrieben aus eigener Erfahrung auf beiden Seiten.
Bei mir wurde 2011 Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert. Ich bin geheilt, aber die Erfahrung hat mich geprägt. Und ich habe auch schon Menschen an diese Krankheit verloren. Auch sie werde ich nie vergessen.
Als ich diesen einen Artikel gelesen habe, musste ich erst die Tränen runter in den Bauch drücken und dann dort das Wutknäuel entwirren. Anschließend wollte ich den Text hundertfach ausdrucken und bei Ärzten und in Krankenhäusern aufhängen.
Es geht um Genesungswünsche bei Krebs – also, was man zu Menschen, die an Krebs erkrankt sind, besser nicht sagen sollte. Vieles davon habe ich selbst gehört. Zum Beispiel so was:
Wir müssen schließlich alle irgendwann sterben.“
Natürlich ist der Umgang mit so etwas Furchteinflößendem wie Krebs schwer und man ist unsicher, wie man reagieren soll. Man will den erkrankten Menschen unterstützen, Mitgefühl zeigen, die richtigen Worte bei Krebserkrankung finden, demjenigen trotzdem nicht zu nahe treten. Das ist ein verbaler Drahtseilakt.
Aber Sätze wie der obige oder „Du bist so tapfer!“ und „Irgendwo ist jemand viel schlimmer dran als du“ sind dabei leider nicht hilfreich.
Doch keine Sorge!
Zum Einen ist mit der Suche nach den richtigen Worten bei Krebs der erste und wichtigste Schritt schon mal getan – das empathische Nachdenken; zum Anderen versuche ich in diesem Artikel ein paar Tipps aus meiner persönlichen Erfahrung als Ex-Krebspatientin zu geben.
Darum geht es in diesem Text zu Genesungswünschen bei Krebs:
Teil 1: Was man nicht sagen sollte
Teil 2: Was vielleicht ein bisschen besser ist
1. Bei Krebs lieber nicht sagen
Vorab: Auch mir gelingt es oft nicht, meine Anteilnahme so rüberzubringen, wie ich es gern würde. Die richtigen Worte zu finden, das ist zugegebenermaßen wirklich schwierig und erfordert viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen.
Als allererstes ist es deshalb wichtig zu berücksichtigen, dass jeder Mensch einzigartig und unterschiedlich ist.
Was eine Person aufbauend, lustig, inspirierend und ermutigend findet, ist für jemand anderen banal oder blöd. Bei Arbeitskollegen ist mehr Distanz gefragt als bei besten Freunden und bei den Schwiegereltern mehr als beim Partner. Deshalb ist es letztlich immer eine Einzelfallentscheidung.
Dennoch gibt es Sätze, die gut gemeint sind und trotzdem oft das Gegenteil bewirken. Ein Beispiel:
„Mit deinem Krebs hast du ja noch Glück gehabt, es hätte auch XYZ sein können.“
Soll beruhigend wirken, tut es aber eher nicht. Denn nur, weil irgendwo jemand noch elender dran ist, ändert das rein gar nichts an dem Krebs-Problem und dem individuellen Leid der erkrankten Person.
Das Schlimmste, was ein einzelner Mensch durchmacht oder durchgemacht hat, ist nun mal für die Person das Schlimmste, das er oder sie durchmacht oder durchgemacht hat. Vollkommen egal, wie gut oder schlecht es anderen geht.
Hier noch ein anderes typisches Beispiel:
„Also, WENN den Krebs jemand besiegen kann, dann DU!“
Auch hier ist die Absicht Ermutigung. Doch wie jeder weiß, der mal von so einer Krankheit betroffen war – man selbst hat leider nur so mittelmäßigen bis äußerst geringen Einfluss auf das Ganze.
Klar kann man sich gesund ernähren, meditieren und auch sonst alles tun. Aber letztlich ist Krebs kein persönlicher Feldzug, sondern schlicht eine Krankheit. Und dieser Satz erzeugt unnötigen Druck und Schuldgefühle. Denn Verlauf und Ausgang einer Krebs-Erkrankung haben absolut nichts mit (mangelndem) Kampfgeist oder gar individueller Feigheit zu tun.
>> Auch interessant: Damals, das mit der Krebs-Diagnose <<
Die Vorstellung, dass nur die richtige Einstellung und eine ordentliche Portion Optimismus die Heilungs-Chancen verbessern, ist Quatsch. Auch, wenn der Gedanke angesichts einer kaum zu kontrollierenden Situation ein Gefühl von Kontrolle verleiht und deshalb verständlich ist. Aber positives Denken heilt nun mal leider keinen Krebs. Deshalb sind auch Sprüche wie: „Denk positiv, dann geht’s dir bald besser!“ zwar gut gemeint, aber fehl am Platz.
Aus eigener Erfahrung kann ich zudem sagen: Nach überstandener Bestrahlungs- bzw. Chemotherapie beginnt erst der Teil mit der psychischen Verarbeitung und den empfand ich – wenn auch auf andere Weise – ähnlich hart. Oft verstehen das Außenstehende aber nicht; sie wissen nicht, dass jede noch so kleine, unbedachte Äußerung massive Ängste auslösen kann.
Mein persönlicher Evergreen der ungeschickten Worte bei Krebserkrankung:
Hast du keine Angst, dass es wiederkommt? Immerhin hattest du es schon mal.“
Ich höre diese Frage immer wieder. Natürlich habe ich Angst, riesengroße sogar. Aber es gelingt mir meist, sie zu verdrängen, sonst könnte ich auch kein halbwegs normales Leben führen. Und weißt du denn, was gerade jetzt irgendwo hinten links in deinem Körper wächst? Eben. Deshalb ist dieser Satz nicht hilfreich. Sondern verursacht Angst.
Die Autorin des Buzzfeed-Textes sagt aber, was ihrer Meinung nach gar nicht geht und gibt am Ende Tipps, wie man es besser machen kann.
Es geht auch anders
Zum Glück habe ich irgendwann die die großartigen „Empathy Cards“ der Künstlerin und Krebs-Überlebenden Emily McDowell entdeckt. Sie zeigen mit warmherzigem Humor, wie es anders geht. Hier mein Lieblingsbeispiel:
Sie sagt: „Ich habe diese Karten für schwere Krankheiten entworfen, weil wir bessere, authentischere Arten brauchen, über Krankheit und Leid zu kommunizieren.“
Ja, genau! Also klemmt euch Phrasen und Platitüden, lasst lieber das Herz sprechen. Auch und gerade dann, wenn es ängstlich und unsicher und voller Sorge ist.
Teil 2: Die richtigen Worte bei Krebserkrankung
Die richtigen Worte bei Krebs zu finden ist unter anderem deshalb schwer, weil Menschen so unterschiedlich sind und komplett anders mit so einer Diagnose umgehen. Und weil es so eine schwere Krankheit ist, die einen Schock mit sich bringt.
Ich persönlich habe mich zum Beispiel immer über rabenschwarzen Humor gefreut, Dinge wie „Ach, du strahlst ja heute wieder richtig!“ Okay, zugegeben – das ist hart. Aber das war eben mein individueller Umgang mit dem Krebs und der Therapie und ist definitiv nichts für jeden.
>> Mehr zum Thema: Diagnose Gebärmutterhalskrebs – und nun? <<
Vielleicht ist es klug, dir genau Gedanken zu machen, was da für ein Mensch betroffen ist, wie er oder sie tickt – und zu berücksichtigen, in welchem Verhältnis ihr zueinander steht. Je näher man sich ist, desto eher kann man auch rustikale Witze vertragen.
Oder wie eine inzwischen verstorbene Freundin der Familie während ihrer Krankheit immer zu sagen pflegte: „Tumor ist, wenn man trotzdem lacht.“
Oft sind es aber ganz einfache Sätze, die sehr helfen und trösten:
- „Was brauchst du?“
- „Du bist nicht allein. Es sei denn, du willst das so.“
- „Ach, es ist okay, dass du Angst hast.“
- „Tut mir von ganzem Herzen leid, dass du das grad durchmachen musst.“
- „Ich wünsche dir immer so viel Kraft, wie du grad brauchst und so viel Liebe, wie du tragen kannst.“
- „Weißt du was? Krebs ist scheiße. Richtig, richtig scheiße. Die blöde Sau.“
- „Soll ich für dich einkaufen gehen?“
- „Wenn du motzen, schreien, heulen, lachen willst – ich bin hier.“
- „Möchtest du allein sein oder magst du Gesellschaft?“
- „Ich bin hier, wenn du mich brauchst.“
- „Willst du eine Umarmung?“
- „Hier ist eine Playlist für dich.“
- „Ich kann nicht im Ansatz nachfühlen, wie es dir geht, aber ich bin für dich da.“
- „Hier ist Satz Karten mit Dienstleistungen. Einfach ankreuzen und ich tu’s. (einkaufen, aufräumen, spazieren gehen…)“
Außerdem sprechen Menschen mit Krebs auch wirklich gern mal über was anderes.
Die Krankheit bestimmt schon genug Anteile des Alltags und diese Menschen sind mehr, viel mehr, als der blöde, verschissene Tumor in ihrem Körper.
Dem Krebs danken – ja, das geht
Manchmal kann so eine Krankheit – trotz aller Angst und allen Grauens – auch ein Stück weit helfen, sich des Lebens mehr bewusst zu werden und dieses kostbare Geschenk viel mehr zu schätzen. Sie kann dabei helfen, zu erkennen, wer echte Freunde sind und wer eher nicht so. Und aufzeigen, welche die wahren Herzenswünsche sind und womit man nur seine Zeit verschwendet. Für stern.de habe ich deshalb mal aufgeschrieben, wofür ich dem Krebs dankbar bin.
Danke an Pflegekräfte
Wer selbst eine Krebserkrankung hat oder Angehöriger ist, der hat viel mit Pflegenden und Ärzten zu tun. Nicht immer läuft dabei alles rund, die Kommunikation lässt meiner Erfahrung nach oft extrem zu wünschen übrig. Ehrlich – die Sprüche, die ich mir manchmal anhören musste… Als ich an einem Sonntagmorgen notoperiert werden musste, kam der Leiter der Gynäkologie in mein Zimmer und sagte: „Jetzt musste ich wegen Ihnen das Golfen absagen.“ Und ich: „Tja, Herr Professor. Augen auf bei der Berufswahl.“
>> Weiterlesen: ein aufrichtiges Danke an Pflegepersonen <<
Aber es gibt vereinzelt Menschen auf dem Weg der Krankheit, die einen echten Unterschied machen. Die besonders kompetent oder einfühlsam oder einfach nur sie selbst und damit genau richtig sind. Wie die eine Ärztin, die mir die Hand darauf gegeben hat, dass mir durch die Chemo die Haare nicht ausfallen. Oder diverse andere großartige Menschen. Wie man sich bei ihnen bedanken kann? Na, so zum Beispiel.
Ehrlichkeit zählt
Und falls dir auf Biegen und Brechen absolut gar nichts einfällt, was du zu einem Menschen mit Krebs sagen kannst, und du null passende Genesungswünsche bei Krebs findest, dann sei mutig und sage genau das: „Ich würde dich so gern trösten, aber ich finde einfach nicht die richtigen Worte.“
Das ist auf jeden Fall aufrichtig, ehrlich und kommt von Herzen. Und damit ein verdammt guter Anfang.
In meinem Buch „Narbenherz“ könnt ihr übrigens alles darüber lesen, wie ich mit der Krankheit umgegangen bin – und falls ihr keine eigenen Worte findet, kann das Büchlein vielleicht ein wenig Mut und Trost spenden:
Mehr Texte zum Thema Krebs:
- Diagnose Gebärmutterhalskrebs – und nun?
- Warum ich nach dem Krebs auf eine Weltreise musste
- Damals, das mit der Krebs-Diagnose
PS: Ich bin freie Autorin und Studierende und das Betreiben dieses Blögchens kostet – genau wie alles andere im Leben – Zeit und Geld. Wer also mag, kann hier via BuyMeACoffee ein bisschen Trink-, äh, Schreibgeld dalassen. Dankeschön! <3
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Froh auf diese Seite gestossen zu sein. Eben unserer Tochter,30Jahre,verheiratet mit ebenso jungem Ehemann bei dem im Januar Hodenkrebs operiert wurde und nun doch wegen Lymphknotenbefall eine stationäre Chemo braucht,das Buch mit den Sprüchen geschickt. Hilfreich Ihre Worte was zu sagen ist..ich fahre demnächst hin um etwas Hilfe und Beistand zu geben.
Einfach nur bescheuert alles!
Liebe Ute, das tut mir aufrichtig leid. Ich kann da nur zustimmen: einfach nur bescheuert alles. Alles Gute und viel Kraft von mir für euch. <3
Vielen lieben Dank für deine Worte!
Mein Vater ist vor ein paar Wochen an Krebs verstorben. Es ging bei ihm sehr schnell.
Kurz darauf kam mein Kollege zu mir und eröffnete mir, dass er nur noch wenige Zeit zu leben hat. Und nun kam gestern meine Kollegin und sagte mir, dass ihr Mann Lungenkrebs mit Metastasen hat. Prognose denkbar schlecht.
Mir gehen so langsam die Worte aus.
Danke, dass du mir aushilfst.
Liebe Amina,
das tut mir wirklich aufrichtig leid. Was für eine elende Kackscheiße. Für manche Situationen gibt es einfach keine Worte… Ich schicke dir viel Kraft und <3!
Liebe Jessica, danke für diesen wundervollen Artikel. Meine Mutter ist an Krebs erkrankt und sie hat ähnliche Erfahrungen und Ansichten. Der Gedanke, sie bald zu verlieren schmerzt mich täglich. Leider sind Menschen, die ich liebe (liebte) an Krebs verstorben und die Verluste dieser lieben Menschen tuen beständig weh. Mir macht diese Krankheit große Angst, da viele meine Verwandten sie haben und ich den Eindruck habe, dass es „in der Familie liegt“. Ich werde mir Dein Buch Narbenherz auf jeden Fall kaufen und bin sehr gespannt. Alles erdenklich Gute für die Zukunft wünsche ich Dir. Liebe Grüße, Frieda
Liebe Frieda,
das tut mir so sehr leid zu hören – ich wünsche dir/ euch ganz, ganz viel Kraft in dieser schweren Zeit und vor allem unendlich viel Liebe. <3
Ich bin irgendwie kein Betroffener und irgendwie doch. Meine erste große Liebe ist an Gebärmutterhalskrebs erkrankt, wir hatten 30 Jahre keinen direkten Kontakt nur durch Ihre Posts bei Facebook viel mir auf das etwas nicht stimmen konnte. Ich wusste nicht wie ich ihr sagen kann was mich bewegt, wie es mir damit geht. Ich möchte mich bedanken für die sehr hilfreichen Anregungen hier. Ich finde nicht immer die richtigen Worte aber es ist mir wichtig, Sie ist ein Teil von mir auch wenn das so lang her ist, ein Teil in meinem Herzen !
Meine Nachricht:
Hallo Michaela,
tut mir von ganzem Herzen weh, dass du das grad durchmachen musst. Ich kann nicht im Ansatz nachfühlen, wie es dir gehen muss. mir laufen die Tränen übers Gesicht und ich hab Angst um Dich…
Weißt du was? Krebs ist scheiße, so richtig, richtig scheiße. Wenn du mal motzen, schreien, heulen oder lachen willst, ich bin hier… Ich hab einen Traum: Du und ich wir sitzen gemeinsam an der Spree in der Sonne und erzählen uns unser Leben. Sind total zufrieden darüber, das der andere gerade da ist, wir heulen gemeinsam wenn’s zum heulen ist und lachen über so gar nicht lustige Dinge Du bist seid der Zeit als wir uns trafen ein Teil von mir. Du bist ein Teil meines Herzens, die ganze Zeit und für immer. Sei ganz lieb gedrückt Michaela… ich wünsch dir eine gute Nacht. Mark
Lieber Mark. Was für eine wunderschöne Nachricht an die erste große Liebe. Hat mich sehr berührt! Du hast wunderbare Worte gefunden!
Du hast kein „Tumor“ in deinem Körper, sondern einen „Humor“!!!
Liebe Jessy,
Du hast sooo recht. Während meines Aufenthalts im Krebsland habe ich mir ein dickes Fell zugelegt, aber auch das war manchmal nicht dick genug. Mein persönliches Highlight (vom Leiter der Chemoambulanz höchstpersönlich). Setting: Während der Chemo, in einem Raum mit drei mir fremden Frauen. Er: „Haben Sie etwa Angst [vor der Knochenszintigrafie]?“ Ich:“Sprachlos“. Was ich hätte sagen sollen:“JA. Denn wir beide kennen eine andere junge Frau, die sogar trotz freier Lymphknoten Metastasen hatte. Und meine Lymphknoten waren NICHT FREI. NATÜRLICH HABE ICH VERDAMMT NOCH MAL ANGST. Und müssen wir das hier besprechen???“ Aber ich weiß, dass er es nicht so meinte. Er war und ist ein fantastischer Arzt. Und eine Seele von Mensch, dem ich von ganzem Herzen danke für die Menschlichkeit, mit der er mich behandelt hat. Aber um zu dieser reflektierten Sichtweise zu gelangen, müsste ich doch einige Male sehr tief durchatmen. Atmen, Loslassen, Weitergehen. Auch wenn es nicht immer leicht ist.
LG
LIebe Jessica, du sprichst mir wirklich wiedermal aus dem Herzen. Gerade heute bei meinen kleinen Job, haben mich 2 Kolleginnen erst wieder an meine Krankheit erinnert. „Schliesslich sind Sie doch krank und ich sollte besser auf mich achten.“ Irgendwie finde ich es ziemlich taktlos. Als wenn ich nicht selber wüste, dass ich chronisch krank bin (Brustkrebs mit Metastisierung an den Knochen). Ich habe meine Krankheit angenommen und finde solche Sprüche auch nicht so toll, die einen manchmal ganz schön runter ziehen können. Eigentlich bin ich ein sehr positiver Mensch, der oft die eigene Krankheit vergisst. Auch wenn ich chronisch krank bin, geht es mir gut. Ich mache das Besste aus meinen Leben. Und lebe heute viel intensiver und bewusster.
<3 Ich finde, du machst das alles sehr, sehr richtig. <3
Du sprichst mir aus der Seele. Die richtigen Worte zu hören ist so unglaublich selten geworden, unabhängig von dem Ausmaß deiner Situation. Mit ein Grund, warum ich den meisten Konversationen aus dem Weg gehe, weil ich gelernt habe, dass die Gesprächspartner in den meisten Fällen nicht annähernd so reagieren (können?), dass du es akzeptieren kannst. Dann ist es doch echt besser, wenn man zusammen schweigt. Empathie und Einfühlungsvermögen müssen nicht zwanghaft verbalisiert werden.
Zusammen schweigen ist gut, aber das ist für viele Menschen – auch mich – nicht immer leicht auszuhalten.
Den „irgendwann müssen wir halt alle mal sterben“-Spruch habe ich erst vor wenigen Tagen auf der Trauerfeier einer Freundin gehört, die sehr schnell und überraschend an Krebs gestorben ist. Vom Trauerredner himself. Neben einem komplett falschen Geburts- und Todesdatum und einem lakonischen „Naja, ich denke, diese Erfahrung haben wir alle schon mal gemacht. Also ich weiß auf jeden Fall, wovon ich rede“. Ein Tritt in den Magen aller Angehörigen.
Unfassbar. Mir fehlen echt die Worte. Dieser Mensch sollte sich einen neuen Beruf suchen – und zwar schleunigst!
Mein Lieblingsspruch: „Aber dann ich mir gedacht, dir geht’s ja noch viel schlechter als mir…“
Danke auch.
Ja, manchmal kann man sich nur an den Kopf fassen.
Hallo Jessica,
ich kenne das Problem aus einer etwas anderen Warte. Ich gehöre zu den Leuten, die eine chronische Erkrankung mit sich rumschleppen (in meinem Fall Parkinson) und sehr oft mit der Ohnmacht des Gegenüber klar kommen müssen. Am Ende bin ich diejenige, die die anderen tröstet. Eine skurrile Situation, über die ich mich (meistens erst nachträglich) sehr ärgere. Auf der anderen Seite verstehe ich die Leute, die nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Sie kennen sich nicht mit diesen Erkrankungen aus und malen sich die wildesten Sachen aus. Wie du sagst, die meisten Menschen haben keine Ahnung, womit man da leben muss. Es ist alles viel komplexer als es scheint und wenn die Dinge kompliziert werden oder gar emotional bedrohlich, wird das all zu gerne in unserer Gesellschaft ausgeblendet.
Die Postkarten sind toll. Die sollte es auch für MS, Demenz, Parkinson, etc. geben.
Es gibt Dinge, die können andere erst dann nachvollziehen, wenn sie sie selbst erlebt haben. Das möchte man diesen anderen aber dann auch wieder nicht wünschen. Im Grunde ist es so, dass die eigene Empathiefähigkeit nicht ausreichen kann für das, was da passiert. Wie kann man als Außenstehender dann doch irgendwie hilfreich sein? Ich finde das eine sehr große Herausforderung. Wäre es besser, ehrlich zu sein? Und zu sagen: Ich kann das jetzt nicht nachempfinden. Ich bin mir nicht sicher.
Ich finde schon. Jedenfalls besser, als mit Platitüden um sich zu werfen. Und manchmal reicht auch nur eine Umarmung.
Hallo Jessica, dass Problem ist einfach, viele ( die meisten ) Menschen, die eine solche Situation, sprich Krankheit, noch nicht persönlich erlebt haben, besitzen einfach nicht das Vorstellungsvermögen, die richtigen Worte zu finden oder zu verstehen, wie sich ein Betroffener fühlt. Man macht sich auch nicht die Mühe, darüber nachzudenken. Das ist wie mit dem Tod. Wer selber schon davon betroffen war/ ist, hat einen ganz anderen Bezug zu dem Thema und auch eine Menge Probleme, die andere nicht verstehen oder verstehen wollen. Viele können mit dem Tod nicht umgehen, verdrängen ihn. Das gilt auch für den Krebs.
Ich persönlich weiß, wovon ich spreche. Ich habe meine Frau verloren und festgestellt, dass sich mein Umfeld extrem schwer damit tat, die richtigen Worte zu finden. Ich habe Dein Buch Narbenherz gelesen und konnte sofort nachvollziehen, wie Dein Empfinden war. Ich habe heute die Erkenntnis, dass vieles nicht passiert ist, weil das Umfeld mit der Situation nicht umgehen konnte. Das sehe ich heute so, vor vier Jahren habe ich das noch ganz anders bewertet.
LG Jürgen