Das Wichtigste zuerst: Im Februar 2011 bekam ich die Diagnose Gebärmutterhalskrebs. Und ich lebe noch. Vielleicht können meine Erfahrungen dir helfen.

Wenn du das liest, wurde bei dir oder jemandem, den du gern hast, möglicherweise Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert. Erste Regel im Cervix-Ca-Club: keine Panik.

Jede Erkrankung verläuft anders und individuell; es gibt verschiedene Faktoren, die eine Rolle spielen.

Aber ich erinnere mich, wie ich damals nach Luft schnappend und mit Herzrasen nach Informationen zur Diagnose Gebärmutterhalskrebs gesucht und wenig Brauchbares gefunden habe – außer Foren, in denen vor allem Horrorgeschichten auftauchten. Vor allem habe ich in diesem eiskalten Wirbel aus Angst nach Halt und Hoffnung gesucht.

Hier habe ich aufgeschrieben, was ich in meiner persönlichen Krankheitsgeschichte erlebt und gelernt habe und was ich gern vorher gewusst hätte. Das hat deshalb keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit.

Aber wenn es da draußen irgendwo eine einzige Frau gibt, der es mit der Diagnose Gebärmutterhalskrebs so geht wie mir und ihr dieser Text auch nur ein winziges bisschen hilft, dann hat er seinen Job erledigt. Und meine Erkrankung hat im Nachgang noch ihr Gutes.

In diesem Text zum Thema Gebärmutterhalskrebs steht:

1. Entstehung und Diagnose

2. Informationen und Prognose

3. Therapie und Behandlung

4. Komplikationen und Nebenwirkungen

5. Ausgang, Ergebnis und das Jetzt


1. Entstehung und Diagnose

Regel Nummer eins: Ruhe bewahren, atmen.

Bei mir wurde der Krebs damals durch die jährliche Routine-Untersuchung bei der Gynäkologin festgestellt. Ich hatte keinerlei große Beschwerden. Da ich wegen massiver Menstruationsschmerzen die Pille seit einiger Zeit durchgängig genommen hatte, kamen mir seltene minimale Blutungen nicht außergewöhnlich vor. Auch den ab und zu auftretenden Nachtschweiß schob ich auf Erkältungen. War ja immerhin Winter.

Die Monate davor waren sehr stressig gewesen. Ich war nach meiner Scheidung unglücklich in einen Weltreisenden verliebt, hatte extrem viel Stress im Job und war oft und viel auf Partys – also Alkohol und Zigaretten, wenig Schlaf und ungesunde Ernährung. Das alles, vor allem das (auch gelegentliche) Rauchen, können laut Studien Co-Faktoren für Gebärmutterhalskrebs sein.

Eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs spielen außerdem Humane Papilloma Viren – kurz HPV. Heute gibt es Impfungen dagegen – als ich jung war, gab es sie noch nicht. Diese HP-Viren können für Gewebeveränderungen sorgen, aus denen dann mit der Zeit Tumore entstehen können. Doch das betrifft nicht alle Virenstämme. Hier etwas mehr Informationen zu HPV.

Auffälligkeiten beim Abstrich und Gewebeveränderungen sind nicht zwingend ein bösartiger Tumor, da gibt es Abstufungen. Bei noch nicht fortgeschrittenen Fällen kann eine kleinere Gewebe-Entfernung ausreichen. Bei mir war das leider nicht so, da war die Entfernung der Gebärmutter nötig – eine Hysterektomie.


2. Informationen und Prognose

Ich saß bei meiner Gynäkologin und kurz darauf beim Operateur im Krankenhaus und stand die ganze Zeit komplett unter Schock. Deshalb der allerwichtigste Tipp: Nimm jemanden mit zu allen Arztgesprächen. Jemanden, der nicht nur deine Hand hält, sondern auch einen klaren Kopf behält, Fragen stellt, sich Dinge merkt. Das ist so wichtig. Denn du wirst es vermutlich nicht können im Angst- und Überlebensmodus.

Und halte dich von Foren fern; meiner Erfahrung nach machen sich dort vor allem Menschen Luft, die schwere Verläufe und Komplikationen erlebt haben. Die, bei denen alles einigermaßen glimpflich abläuft, verspüren selten das Bedürfnis, im Internet darüber zu reden. Außerdem gibt es in Foren oft auch keine fachliche Moderation, so dass im Grunde alles drin stehen kann.

Stattdessen lieber offizielle Seiten wie die Deutsche Krebsgesellschaft ansteuern und mit Ärzt*innen reden. Löchere sie gnadenlos – dir alles zu erklären, das ist ihr verdammter Job.

Die Frage, die mir damals als erstes in den Kopf schoss: „Scheiße, muss ich jetzt sterben? Ich hab’ ja überhaupt kein Geld für eine Beerdigung. Ich will noch nicht sterben!“ Das ist ein natürlicher Impuls bei einer Diagnose wie Gebärmutterhalskrebs. Aber: Krebs ist nicht gleich Krebs.

Es gibt viele verschiedene Krebsarten und Gebärmutterhalskrebs gehört tendenziell eher zu denen, die sich – so er denn rechtzeitig erkannt wird – recht gut behandeln lassen. Deshalb ist die regelmäßige Vorsorge so wichtig. Ich finde aus Erfahrung einmal im Jahr zu selten. Ich bin jährlich hingegangen und trotzdem… Also, je früher der Krebs erkannt wird, desto besser die Heilungs-Chancen.


3. Therapie und Behandlung

Was genau gemacht werden muss, hängt vom Tumor ab. Bei mir war er schon so weit entwickelt, dass relativ zackig operiert werden und die Gebärmutter inklusive Gebärmutterhals entfernt werden musste.

Zunächst gab es eine kurze Voruntersuchung unter Vollnarkose: Darm- und Blasenspiegelung (um zu sehen, ob es dort einen Befall gab) und eine MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie), die zusätzlich der Suche nach Tumoren dient. Anschließend die große Hysterektomie, für die ein kleiner Schnitt durch die Bauchdecke ausreicht. Eigentlich ein Routine-Eingriff, doch es kann in seltenen Fällen (wie meinem) zu Komplikationen kommen. Doch dazu später mehr.

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Während der OP wurden umliegende Lymphknoten im Bauchraum entfernt und im so genannten Schnellschnittverfahren auf Metastasen untersucht. Sollten sich Metastasen gebildet haben (in meinem Fall war ein einziger Arschloch-Lymphknoten befallen), raten Ärzte nach der Operation zu einer vorbeugenden (adjuvanten) Bestrahlungs- und Chemotherapie – um ganz, ganz sicher zu gehen, dass der Krebs aus dem Körper ist. Das ist aber oft gar nicht nötig.

Wichtig zu wissen: Radio- bzw. Strahlentherapie und Chemotherapie sind nicht das gleiche.

Bestrahlung heißt, von außen gezielt Radioaktivität auf von Tumoren befallene Stellen zu ballern.

Chemotherapie sind Medikamente, die per Infusion ins Blut kommen und dann über diesen Weg Krebszellen angreifen oder zerstören.

Die Kombination ist recht effektiv. Da ein menschlicher Körper insgesamt jedoch nur eine gewisse Menge Radioaktivität verträgt, wird das auf mehrere Wochen verteilt und lässt sich im Laufe eines Lebens auch nicht beliebig oft wiederholen.

Auch Chemo ist nicht gleich Chemo. Falls du, wie ich, mit Cisplatin behandelt werden solltest, werden dir sehr wahrscheinlich die Haare nicht ausfallen, dafür können aber die Ohren und Nieren eventuell einen kleinen Schaden davontragen.

Leider gab es im UKE nur einen Sammel-Aufklärungsbogen für alle Chemos. Ich habe mir also sämtliche Nebenwirkungen aller Medikamente anhören müssen, obwohl mich geschätzt 80 Prozent davon gar nicht betroffen haben. Das hat mir in dieser geballten Form den Boden unter den Füßen weggerissen und war absolut unnötig. Ich finde, das gehört dringend anders gelöst.

Doch auch hier gilt wieder: keine Panik.

Chemo-Kalender
Dieser Chemo-Kalender hing an meiner Tür. | © J. Wagener

Weil das Unbekannte uns Angst macht, erkläre ich, wie ich es erlebt habe:

Du spürst nichts. Die Chemo kommt per Infusion. Das ist nur ein Pieks in den Arm und eine Kombination aus sehr viel Wasser, der für dich angepassten Menge des Anti-Krebs-Medikaments und Anti-Übelkeits-Medikamenten. In meinem Fall gab’s einmal die Woche Chemo für sechs Stunden.

Das Schlimmste waren die Langeweile und gelegentliche doofe Mitpatientinnen. Ja, auch Leute mit Krebs können Arschlöcher sein. Sind eben Arschlöcher, bloß mit Krebs. Zum Glück hatte ich immer Besuch von Freund*innen, die mir Gesellschaft geleistet haben.

Auch die tägliche Bestrahlung selbst spürt man nicht. Du liegst wahrscheinlich mit den nackten Hintern bäuchlings auf einer Liege, während ein leise klackerndes Gerät um dich kreist und Radioaktivität auf gekennzeichnete Stellen schießt. Nimm das, Drecks-Krebs!

Es ist im Grunde wie Röntgen und dauert nicht lang. Und die entsprechenden Markierungen halten lange und sehen ein bisschen aus wie PacMan. Sehr wahrscheinlich fallen die Schamhaare aus – und das Rasieren damit aus. Always look on the bright side of life…


4. Komplikationen und Nebenwirkungen

Wie gesagt, die Behandlung nach der Diagnose Gebärmutterhalskrebs verläuft immer individuell. Bei mir persönlich allerdings teilweise ziemlich unschön.

Ich habe während der gut fünfstündigen Hysterektomie einen seltenen Lagerungsschaden erlitten – ein so genanntes beidseitiges Kompartmentsyndrom – weshalb mir fast die Beine hätten amputiert werden müssen.

Und zwar deshalb:

Während der OP werden die Beine auf Gel-Pads hoch gelagert und ab und zu bewegt. Ich war damals relativ sportlich und hatte entsprechend Muskelmasse in den Waden, die wiegt ein bisschen was. Und weil die Beine hoch liegen, man sich in Vollnarkose kein Stück rührt und Muskeln ein Eigengewicht haben, kann durch dieses Gewicht ein Druck im Muskel entstehen.

Weil die Waden allerdings in ein nicht dehnbares Netz aus Faszien gehüllt sind, kann der Druck nicht nach außen entweichen. Folge: Der Muskel schwillt nach Innen an, drückt Blut- und Nervengefäße ab. Das Gewebe wird dann nicht mehr richtig versorgt und stirbt ab. Dadurch entstehen außerdem Giftstoffe, die zu Nierenversagen führen können.

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Ja, SO habe ich auch geguckt.

Dagegen hilft: Sämtliche Muskelkompartments aufschneiden, Druck ablassen, zwei bis drei Tage mit offenen Beinen in Halbschalengips rumliegen und jede Menge Infusion gegen den drohenden Nierenschaden bekommen. Dann wieder zunähen.

Das war wirklich übel, passiert aber laut Aussage der Ärzte nicht oft; ein Kompartmentsyndrom ist extrem selten. Persönliches Pech.

Es gibt übrigens auch Strümpfe, die wie… Schwimmflügel als Strümpfe aussehen und in die Luft rein- und rausgepumpt wird. Dadurch massieren sie das Gewebe und können ein Kompartmentsyndrom verhindern. Werden aber nicht standardmäßig eingesetzt. Solltest du deshalb Sorge haben, kannst du im OP-Vorgespräch in der Klinik danach fragen.

Und auch, wenn man Cisplatin-Chemo und Bestrahlung selbst nicht spürt – die Nebenwirkungen bleiben leider nicht aus.

Bei mir hat es etwa drei Wochen (Halbzeit) gedauert, bis es losging. Dann aber richtig. Ich hatte den Durchfall meines Lebens, der gesamte Magen-Darm-Trakt war durch die Bestrahlung in Aufruhr. Ich musste zwar nicht spucken, mir war nicht übel, aber ich konnte kaum was essen oder trinken, weil alles wehgetan hat – es ging nur Hühnersuppe, Backkartoffel mit Sour Cream, Kinder-Pingui und Mango-Saft.

Zum Glück hat Buscopan ein bisschen geholfen. Und widerliche Opium-Tropfen gegen den Durchfall, jedoch mit bedingtem Erfolg.

Außerdem ist das Immunsystem ziemlich im Eimer, weshalb ich mir einen interessanten meldepflichtigen Keim einfing und noch mal zwei Wochen mit Fieber im Einzelzimmer rumliegen musste.

Oh, bevor ich es vergesse: Wo keine Gebärmutter mehr ist, ist eine Naht. Und durch die Bestrahlung kann das Gewebe mürbe oder spröde (atrophisch) werden. Deshalb beim Geschlechtsverkehr vorsichtig sein und vorher auch unbedingt mit Ärzt*innen abklären.

All die medizinischen Details können dir Ärzt*innen wirklich viel besser erklären. Gern mehrere fragen und auch so oft und so lange, bis du dich vollständig informiert fühlst.


5. Ausgang der Diagnose Gebärmutterhalskrebs

Wer die Diagnose Gebärmutterhalskrebs und die Behandlungen überstanden hat, wer nach Monaten aus dem Ring kommt, ist benommen und verwirrt, verwundbar und traumatisiert. Ständige Eingriffe sind eine Fremdbestimmung des Körpers; es geht in der akuten Zeit nur ums Überleben.

Doch nach der Behandlung, wenn alle denken, jetzt ist es überstanden, geht es im Grunde erst so richtig los. Denn dann endet der Überlebensmodus und dir wird klar, was da überhaupt alles passiert ist.

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Darum ist es eine ganz hervorragende Idee, sich psychoonkologische Betreuung zu suchen. Eine*n Therapeut*in, der*die sich damit auskennt und bei dem*der du alles ausschütten kannst, alle Todesängste und Zweifel und Verlustschmerzen und all die Trauer und Erschöpfung, die so ein Kampf nun mal mit sich bringt.

Es ist auch extrem entscheidend, sich ein gutes Support-Netzwerk aufzubauen. Dabei ist jedoch einiges zu beachten:

  1. Nicht jeder Mensch kann mit so einer Situation gleich gut umgehen, manche sind krass überfordert. Das ist okay, sie haben dich trotzdem lieb. Aber dann haben sie in deiner Ecke des Rings zu dieser Zeit keinen Platz.
  2. Es gibt Leute, die in Notsituationen zur Höchstform auflaufen. Die dich nachts ins Krankenhaus bringen, deine Katze füttern und dir Schlüppis kaufen. Doch das heißt noch lange nicht, dass sie auch mit dem ganzen emotionalen Schmodder klarkommen.
  3. Überlege dir deshalb gut, wen du dir als Unterstützung ranholst. Denn eine Krebserkrankung ist eine ungeheuerliche Belastung für Freundschaften und Beziehungen. Die Dynamiken verändern sich – du bist plötzlich Patientin, wirst umsorgt, aber auch ein Stück weit unmündig. Es kann passieren, dass sich diese Dynamik nicht wieder umkehren lässt. Und wenn du Freund*innen hast, denen es wichtig ist, dass sie für dich da sind und sich um dich kümmern, können sie es dir übel nehmen, wenn du dich wieder zu emanzipieren versuchst und zum Beispiel nicht (mehr) auf ihren Rat hörst. Das empfinden sie dann unter Umständen als Undankbarkeit. Nicht jede Freundschaft hält das aus.

Wichtig ist, dass du mit der Diagnose Gebärmutterhalskrebs so umgehst, dass es für dich okay und gut ist. Was immer das heißt. Ich habe zum Beispiel Gesangsunterricht genommen, was toll war, um meinen Körper auch mal wieder auf eine positive Weise zu spüren, nicht nur in Schmerz und als Gegner.

>> Weiterlesen: Warum ich nach dem Krebs auf eine Weltreise musste <<

Und statt auf eine Kur nach St. Peter Ording bin ich nach überstandener Krankheit und Behandlung für sechs Monate auf eine Weltreise gegangen. Ich habe mich davor ein gutes Jahr lang dauernd fremdbestimmt und ferngesteuert gefühlt; die Reise hat mir das Gefühl der Selbstwirksamkeit und Ermächtigung zurückgegeben. Und war einfach wunderschön – genau richtig für mich. Mehr dazu steht in meinen Buch Narbenherz.

Oh, und Lymphdrainage und Kompressionsstrümpfe! Wenn dir Lymphknoten entfernt wurden, so früh wie möglich damit anfangen. Sonst kann sich in den betreffenden Gebieten Wasser einlagern.

Das war meine Geschichte zur Diagnose Gebärmutterhalskrebs. Deine wird sehr wahrscheinlich sehr anders sein. Als kleinen Trost und Hoffnungsspender habe ich mir größte Mühe gegeben, mitzuteilen, was ich weiß und gelernt habe. Aber rede ausführlich mit deine*n Ärzt*innen und Therapeut*innen über alles.

Meine Diagnose Gebärmutterhalskrebs ist nun mehr als zehn Jahre her. Und ich lebe noch. Hurra!

Wie ich das damals überstanden habe und wie meine Weltreise meiner Seele bei der Heilung geholfen hat, kannst du hier in meinem Buch Narbenherz lesen. <3

 


Hier findest du mehr Texte von mir zum Thema Krebs:

 


PS: Ich bin freie Journalistin, Autorin und Studierende und das Betreiben dieses Blögchens kostet – genau wie alles andere im Leben – ein wenig Geld.Wer also mag, kann hier via BuyMeACoffee ein bisschen Trink-, äh, Schreibgeld dalassen. Dankeschön! <3

 

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