Als ich die Tür hinter mir zuziehe, habe ich keinen Schlüssel mehr dafür. Einen Augenblick lang schwappt Unsicherheit auf, flüchtiges Bauchkribbeln – wie beim letzten Schritt vor dem Sprung beim Drachenfliegen. Das stärkste Gefühl beim Neuanfang.

Dann umfängt mich eine weiche Welle der Zuversicht und spült den Stress der vergangenen Tage weg. Ich habe soeben meine Wohnung übergeben. Ich habe ein paar Tage kein richtiges Zuhause mehr. Ich lebe kurz zwischen den Orten.

Und könnte mir nichts Schöneres vorstellen.

Ein Neuanfang besteht aus Trennungen

Davor habe ich meine Berliner Wohnung eine Woche lang ausgeräumt. Ich habe geschwitzt bei 33 Grad im Schatten. Ich habe gespachtelt, geschleppt, gepackt, gemailt, geschrubbt, geschoben und gehoben. Ich habe hunderte Entscheidungen getroffen, bei jedem Gegenstand: Behalten? Mitnehmen oder einlagern? Verkaufen oder verschenken? Wegwerfen?

Ich habe mich immer leichter, immer schneller von Dingen getrennt: Opas Schlitten, Omas Schal, die TLC-CD vom Ex-Boyfriend, die einstige Lieblingsbluse, die French Press, die unzähligen Visitenkarten und Zettelchen und Papiere, die Glücksbringer, die beiden Möbelstücke aus meiner allerersten Wohnung… Aber immer, wenn ich dachte, ich hätte alles im Griff und sortiert, tauchten weitere Gegenstände auf.

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Bis sie schließlich nach einer Woche des unendlichen Wirbelns endlich, endlich leer war. Genau wie ich.

Eigentlich brauche ich nicht viel. Viel weniger, als ich gedacht habe. Alles, was ich besitze, befindet sich in 13 Kisten und drei Koffern. Und selbst das ist eigentlich zu viel.

Ein Neuanfang in Schottland

Jetzt geht es also wirklich eine Zeit lang nach Glasgow, zum Arbeiten und Lernen. Noch im Treppenhaus halte ich inne, meine Hand bleibt auf dem schweren, glatten Holz des Handlaufes liegen. Wie lange genau ist es her, dass ich hier auf meiner Bettkante saß und die Idee aus meinem Herzen hüpfte? Ich weiß es nicht mehr genau. Ich glaube, es war Winter, im Winter hat man ja immer diese Ideen.

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Was ich jedoch ganz sicher weiß: Ich habe es tatsächlich geschafft, zumindest bis hierhin. Aus der Idee wurde ein vager Plan, aus dem vagen Plan ein konkreter Plan, aus dem konkreten Plan wurden Schritte und aus den Schritten eine To-Do-Liste und die hat jetzt überall kleine Häkchen.

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Eigentlich ist es gar nicht so schwer. Viel leichter, als ich gedacht habe. Alles, was ich dazu brauchte, war Vorstellungskraft und ein bisschen Mut. Und selbst davon hätte die Hälfte gereicht.

Ein Neuanfang mit Liebe

Ohne andere Menschen – Internet-Bekannte, Kollegen und Vorgesetzte, Freunde und meine übrige Familie – wäre dieser Neuanfang nichts geworden, auch da bin ich mir sicher. Mir wurde so viel Unterstützung zu Teil, so vieles hat funktioniert, weil jemand an mich glaubte oder mir half oder Verständnis hatte oder einfach da war. Danke. <3

Wenn ich bald in Glasgow auf meiner Bettkante sitze und mein Herz auch ganz ohne Idee hüpft, denke ich an euch.

Und so beginnt das nächste Abenteuer.

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