Eine Outlander Tour an ein paar der Drehorte in Schottland ist wie eine Zeitreise zurück in die ersten Staffeln. Und ja, Kitsch und Karos gehören ausdrücklich dazu.
Die Reiseführerin trägt karierte Leggings. Natürlich trägt sie karierte Leggings.
Das hier ist eine schottische Tagestour in Schottland zu den Drehorten der Serie Outlander, deren erzählerischer Ursprung in Schottland liegt. Und damit das während der nächsten zehn Stunden auch ja niemand vergisst, trägt sie Schottenkaro an den Beinen. Aber das ist schön, das gehört so. Das ist Teil des von Walter Scott im 19. Jahrhundert so fest und so sorgfältig zusammengeschnürten Schottland-Romantikpakets.
„Seid ihr bereit, Jamie zu begegnen?“, ruft sie gut gelaunt in die kleine Runde aus 12 Leuten, nachdem alle Mitreisenden im Mercedes-Minivan Platz genommen und sich brav angeschnallt haben. Überwiegend weiblich, zwei Pärchen, ein junger Mann – und mein Besuch aus Berlin und ich.
Wir sitzen ganz hinten, wie früher auf Klassenreise. Hier ist immerhin genug Platz für unsere Jacken und Snacks. Vor allem für unsere Snacks. Die drei schon seit ein paar Jahrzehnten erwachsenen Schottinnen in der ersten Reihe machen sich semi-dezent ein Piccolöchen auf und kichern. Auch wie auf Klassenreise.
Kitsch in schweren Zeiten
Ich wohne seit fast vier Jahren in Schottland. Ich habe mich in Pubs und Dating-Apps herumgetrieben. Ich weiß daher ziemlich zuverlässig, dass es hier so gut wie keine Jamies gibt. Zumindest keine, die single sind. Doch darum geht es nicht; es geht ums Gefühl. Um puren Eskapismus. Outlander-Autorin Diana Gabaldon hat nun mal Figuren entwickelt, die Lesenden und Serienfans ans Herz gewachsen sind.
Außerdem ist eine wohldosierte Prise Kitsch und Quatsch in schweren Zeiten nicht nur erlaubt, sondern regelrecht erforderlich. Sollte es auf Rezept geben – meine Meinung.
Outlander Tour – Zeitreise in die erste(n) Staffel(n)
Apropos Kitsch: An den Fensterscheiben des Vans kleben zwei Pappmasken – eine von Jamie und eine von Claire. Die Sonne brennt durch die kleinen Löcher in ihren Augen, wie Laserstrahlen. Es ist aber auch ein ungewöhnlich strahlender Frühlingstag. Was sich in Schottland – das weiß man, das ist bekannt – selbstredend jederzeit ändern kann.
Wir fahren über die Autobahn Richtung Nordosten. Neben mir sitzt meine ehemalige Mitbewohnerin – der erste Besuch aus Deutschland seit sehr, sehr langer Zeit. Seit Jahren, um genau zu sein (Danke, Covid). Dieser Trip zu einigen Outlander-Drehorten ist unser Abschieds-Event nach einer Woche gemeinsamer Gemütlichkeit.
Da ich kein Auto fahre und mich (noch) nicht traue, auf der linken Seite zu fahren (und vor allem mit Links zu schalten!), ist so eine Tagestour eine bequeme Art, mal rauszukommen und mehr von Schottland zu sehen. Und zwar ohne den Stress, den ganzen Tag am Steuer um sein Leben zu fürchten oder wegen eklatanter Missachtung der Verkehrsregeln verhaftet zu werden.
Wir haben uns für diese Outlander-Tour entschieden, weil der Tag prima in unseren Plan passte. Aber auch, weil die erste Staffel nach wie vor meine Lieblingsstaffel ist. Dieser Tagestrip führt uns nämlich in den Osten Schottlands – und damit an die Orte aus dem Anfang der Serie.
Cranesmuir heißt in echt Culross
Unser erster Stopp ist Culross, ein entzückendes historisches Dörfchen aus dem 16. und 17. Jahrhundert mit Kopfsteinpflaster und bunt verputzten Häuschen mit roten Ziegeldächern. In Outlander dient Culross als Kulisse von Cranesmuir – das Dorf am Fuße von Castle Leoch, in dem Geilis Duncan mit ihrem damaligen Mann Arthur lebt (ja, der mit der Flatulenz und dem spontanen Ableben).
Wenn man ein paar Gassen hinauf schlendert, hat man von oben einen herrlichen Blick auf den Fluss, den orangefarbenen Culross Palace und die Gärten am Hang, in denen Claire und Geilis in der Serie zusammen Kräuter gepflückt und sich besser kennengelernt haben. Auch die Szene, in der Jamie den jungen Dieb mit dem festgenagelten Ohr befreit, wurde hier in Culross gedreht.
Falkland oder auch: Inverness
Zweite Station ist Falkland, eine Kleinstadt ein Stück weiter Inlands. Hier wurden die Inverness-Szenen der Serie gedreht, weil das echte Inverness nicht (mehr) historisch genug aussieht. Zum Beispiel das mit Claire und der Vase. Oder die Sache mit dem Highlander, dem Brunnen und dem Fenster.
Auch das Gasthaus von Mrs. Baird steht hier – also die Unterkunft von Claire und Frank auf ihrer nachträglichen Hochzeitsreise in die Highlands. Das Bett, die Federn, das Quietschen…
In Wirklichkeit ist es ein 3-Sterne-Hotel namens The Covenanter und das Essen im Restaurant ist typisch für einen Touri-Hotspot: etwas teuer und eher unbemüht. Dafür ist der Kaffee im kleinen Shop Fayre Earth um die Ecke ausgesprochen köstlich und auf den kleinen Stühlchen vor dem Schaufenster hat man einen wunderbaren Blick über den malerischen Marktplatz von Falkland. Äh, ich meine „Inverness“.
Lallybroch
Anschließend zuckeln wir über rumpelige Seitenstraßen Richtung Midhope Castle, der Neigungsgruppe Outlander besser bekannt als Lallybroch. Hier war ich schon 2018 im Herbst, weshalb meine Erwartungen auch entsprechend bescheiden waren. Denn die Mini-Burg an sich ist zwar von außen schön, hineingehen kann man aber nicht.
Midhope ist quasi eine Ruine, die Fenster sind zum Teil vernagelt. Diesmal ist auch noch ein Gitterzaun aufgestellt.
„Wir haben Glück, dass wir überhaupt bis hier hinkommen“, betont unsere Reiseführerin, „hier wird nämlich eigentlich gerade gedreht. Aber heute ist kurz Pause.“ Bis auf einen roten Stromgenerator und den Zaun ist vom Dreh nichts zu sehen. Die drei Schottinnen plaudern unterdessen von Plänen, nach denen Midhope Castle wieder restauriert werden soll. Auch eine Whisky-Destillerie soll es hier irgendwann geben.
Zu Besuch bei Black Jack
Der nächste Halt ist Blackness Castle aka Fort William. Eine massive Festung aus dem 15. Jahrhundert, die zuerst eine königliche Burg war, dann eine Garnison, danach ein Gefängnis und schließlich ein Waffenlager. Und jetzt eben eine historische Attraktion. Das allerdings zu Recht. Von oben sieht Blackness Castle ein bisschen aus wie der Bug eines Schiffes – daher der Spitzname „das Schiff, das nie in See stach“.
Der örtliche Guide hingegen sieht aus wie der Zwillingsbruder von Dougal MacKenzie. Und, um aus der Hochzeits-Episode von Outlander zu zitieren: „He was charming. A born storyteller, like most Scots.“ Er trägt Kilt (selbstverständlich), rennt extrem enthusiasmiert Treppen rauf und runter, springt hinter Ecken hervor und performt eine ausdrucksstarke Ein-Mann-Version von Claires Rettung aus Black Jack Randalls Fängen.
Das Beste an Blackness ist jedoch die Ausstellung mit dem Titel Unforgettable in den alten Räumen der Burg. Darin stellen verschiedene Künstler*innen und Historiker*innen (un)gewöhnliche, diverse Menschen vor, die Schottland geprägt haben und in den Geschichtsbüchern nicht vorkommen. Das ist ziemlich stark und auch ziemlich bewegend. Denn Geschichte ist wie eine Zwiebel: immer vielschichtig, zuweilen scharf und beißend, und manchmal muss man auch ein bisschen weinen.
Castle Leoch
Der letzte Halt unserer Tagestour an die Outlander-Drehorte ist Doune Castle am Fluss Teith. Die Burg stammt dem 14. Jahrhundert und fungiert in Outlander als Castle Leoch, der Sitz von Clan MacKenzie. Einer der echten Sitze des echten Clans MacKenzie ist die Burg Eileen Conan weiter nördlich und im Westen, kurz vor der Insel Skye. Oder auch Castle Leod nordwestlich von Inverness. Auch Doune Castle können wir aus Baufälligkeitsgründen nicht betreten, auch hier steht ein Gitterzaun.
Übrigens ist Outlander nicht das einzige, was hier gedreht wurde: Auch Szenen aus Game of Thrones und Ritter der Kokosnuss spielen hier.
Mein Besuch entdeckt zwei Kokosnusshälften, die jemand am Zaun befestigt hat, schlägt sie gegeneinander und ich „reite“ los. Alles ohne Piccolöchen. Und als wir wenig später auf der anderen Seite vor der großen Burgmauer stehen, rufe ich inbrünstig: „I fart in your general direction! Your mother was a hamster and your father smelt of elderberries!“ Ja, okay, eventuell habe ich unlängst drölfzig Monty-Python-Specials gesehen. Das birgt Risiken und Nebenwirkungen.
Am Ende dieser ganztägigen Outlander Tour sinken wir müde und zufrieden – aber vor allem müde – in die Kunstledersitze des Vans. Auch die drei Schottinnen blicken auf dem Rückweg nach Glasgow schweigend aus dem Fenster in die maigrüne Landschaft. Allein für Culross, Falkland und Blackness Castle hat sich dieser Tagesausflug gelohnt.
Die Jamie-Maske mit den Laseraugen pappt vorn neben unserer Reiseführerin in der Karo-Leggings; Claire klebt lächelnd neben uns. Im Hintergrund läuft ein Disco-Megamix auf Dudelsäcken.
Alles ganz genau so, wie es gehört.
In meinem kleinen Ratgeber Nach Schottland Auswandern steht alles, was ich bisher über mein neues Heimatland gelernt habe:
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