Weihnachten allein – das war für mich bisher eine deprimierende Höllen-Vorstellung. Aber bei genauerem Hinsehen habe ich gemerkt: Ich bin weniger allein, als ich dachte.

Unmöglich zu sagen, wie lange das Päckchen schon auf meiner Fußmatte stand. Dazu hätte ich mich erinnern müssen, wann ich das letzte Mal die Wohnung verlassen habe. War es vorgestern? Oder am Sonntag?

Schwer festzustellen, wenn jeder Tag dem vorherigen gleicht. Arbeiten im Homeoffice, studieren im Homeoffice, essen, trinken, schlafen im Homeoffice, das Leben in denselben vier Wänden. Allein. Danke, Corona. Ich bücke mich und hebe das Päckchen von der Fußmatte. Der Adressaufkleber verrät: Es ist aus Berlin, von meiner ehemaligen Kollegin Katharina.

Neugierig reiße ich es auf. Und finde ein kleines Weihnachtsgeschenk, ein paar Aufmerksamkeiten und eine Postkarte, die mich zu Tränen rührt. Warme Dankbarkeit wallt durch meinen Brustkorb. Kleine Gesten können eine große Wirkung haben. Besonders in Zeiten wie diesen.

Denn sagen wir’s doch, wie’s ist: 2020 war das bisherige XXL-Furunkel unter den Jahren. Und ich hatte bisher schon einige, die diesen Titel durchaus begründet für sich beansprucht haben. Neben der alles überschattenden und verändernden Pandemie, die nach wie vor die ganze Welt im Griff hat, gab es in meinem Leben zwei familiäre Todesfälle, untermalt von haarsträubenden Existenzkrisen mit kräftezehrender beruflicher Neujustierung. Die Doppelbelastung mit Job und Uni hat mich mehrmals an den Rand des frustinduzierten Nervenzusammenbruchs gebracht und der dringend benötigte Urlaub war auch viel zu kurz.

Außerdem macht es was mit einer Menschenseele, wenn sie so gut wie 24/7 allein ist und nicht mal Haustiere als Gesellschaft hat (Topfpflanzen sind mir auf Dauer einfach zu lethargisch). Dazu noch die zauberhafte Jahresabschluss-Erkenntnis, dass ich sowohl Weihnachten als auch Silvester allein verbringen werde. Zum ersten Mal in meinem Leben. Ich weiß, dass es anderen auch so geht und ich dabei noch privilegiert bin. Aber für mich ist Weihnachten der Höhepunkt des Jahres, ich liebe es einfach, und ohne Omi und Opi war es in den vergangenen Jahren schon schmerzhaft und traurig genug. Naja, und mit der Weltlage fange ich lieber gar nicht erst an.

Das Gute in Menschenform

Insgesamt also eher minderschön. Da könnte man durchaus versucht sein, sich in samtschwarze Verzweiflung fallen zu lassen. Deshalb ist es umso wichtiger, absichtlich mal einen Blick auf das Schöne und Gute zu werfen. Denn ja, auch das hat es 2020 gegeben. Vor allem in Menschenform. Das bezieht sich nicht nur meine Kollegin, die mir mit ihrem kleinen Weihnachtspaket und der liebevollen Karte eine große Überraschung beschert hat.

Ein Paket mit Liebe habe ich auch von meinen beiden allerbesten Lieblingsmenschen Ulrike und Ralf, bekommen. Ohne die beiden, die regelmäßig virtuell mit mir frühstücken und mich in jeder Hinsicht unterstützen, sähe meine Situation wohl finster aus. Ähnliches gilt für die drölfzig Millionen Telefonate mit meiner Schwester (und für die Nougattütchen!) Danke auch an Anna, mit der ich bekloppte Facebook-Filter, Rezepte, Wein und Tränen teilen durfte.

Manche Menschen sind immer da – auch, wenn man nicht jede Woche miteinander spricht – und machen sogar Raum für Weihnachtsskyperei. Andere sind jahrelang weg und kommen dann wieder und das ist sehr, sehr schön. Wieder andere lässt man endlich und endgültig los, weil sie narzisstisch, egozentrisch und zerstörerisch sind, und auch das ist großartig. Und manche überraschen auf andere Weise. 

Dankeschön an @consternada, die mir aus meiner alten Heimat Hamburg den ersten Rumtopf meines Lebens nach Schottland geschickt hat. Ebenso wie an alle großartigen Follower*innen und Leser*innen, mit denen das Internet Spaß macht und deren Support so wichtig ist. <3

Außerdem bin ich auch meinen Auftraggeber*innen und Kontakten in Redaktionen sehr dankbar – für Jobs, Chancen, Feedback. Ohne euch könnte ich mir meinen Traum vom Leben in Schottland in die Haare schmieren. Muss ja auch mal so gesagt werden. Gleiches gilt für Expert*innen, die mir für etliche Texte jederzeit Frage und Antwort gestanden haben. Und auch für meine Interviewpartner*innen – dafür, dass sie ihre persönlichen Geschichten mit mir geteilt und mir vertraut haben. Ich habe mich immer sehr bemüht, dem gerecht zu werden.

Mein ausdrücklicher und inniger Dank geht auch an alle, die meine Texte gelesen, geteilt und mir kleine und größere Spenden geschickt haben – ihr habt mir Kaffee, Kuchen und jedes Mal ein bisschen Hoffnung, ein bisschen weniger Angst und ein Stück Freude geschenkt. Dank euch fühle ich mich weniger allein. Und das bedeutet mir viel. (Mit ziemlicher Sicherheit habe ich Menschen vergessen. Verzeiht es mir, es ist bestimmt so was wie Pandemenz.)

Weihnachten oder WEINnachten…

Für die Feiertage habe ich einen Baum (er heißt Harold), ein wenig Wein und erschreckend viele Spirituosen, Essen, eine Playlist, Zoom-, FaceTime-, Skype-Dates, einen Pyjama mit Hunden drauf, Kekse und Schokolade, eine Liste mit Filmen, bei denen ich (hoffentlich) nicht heulen werde. Und ein Rentiergeweih zum aufsetzen. Es wird okay.

Also. Kommt einigermaßen solide aus diesem furchtbaren Furunkeljahr. Haltet Abstand, tragt Masken, bleibt gesund. Seid lieb zu denen, die es verdienen. Ignoriert die Kacknasen. Ruft mal wieder jemanden an oder schreibt eine Nachricht, kleine Gesten können so wichtig sein, quasi in Teelicht in der Finsternis. Verzagt nicht, seid nachsichtig und großzügig mit euch selbst und anderen. Verzichtet eine Zeit lang auf Nachrichten und Doomscrolling. Haltet durch. Irgendwann wird es besser. Ich bin wahrhaftig keine Monarchistin, aber um mal die Queen zu zitieren: „We will meet again.“ Frohe Weihnachten.


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PS: Ich bin freie Journalistin, Autorin und Studierende und das Betreiben dieses Blögchens kostet – genau wie alles andere im Leben – ein wenig Geld. Wer also mag, kann hier via Paypal ein bisschen Trink-, äh, Schreibgeld dalassen. Dankeschön! <3

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